
Berlin: Eine Stadt voller Trennung und Verbindung
Berlin - Zum Tag der deutschen Einheit stellt sich jedes Jahr wieder die Frage: Wie weit sind wir mit der Einheit? Doch vielleicht sind Grenzen und Verbindungen heute andere. Eine kleine, symbolische Reise durch Berlin.
Veröffentlicht am 03.10.2021 – SpiriteaHTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
An vielen Stellen lässt sich in Berlin tatsächlich nicht sagen, wo man sich gerade befindet, ob im ehemaligen West- oder Ostteil. Die Stadt ist derart zusammengewachsen, dass die alten Grenzen über weite Strecken unsichtbar geworden sind. Die Friedrichstraße, der Potsdamer Platz sind heute pulsierende Schlagadern der Metropole, an denen lediglich durch Markierungen auf dem Boden (Potsdamer Platz) oder Relikte der Vergangenheit in Form des ehemaligen Grenzübergangs Checkpoint Charlie (Friedrichstraße) erkennbar ist, dass durch und um diese Stadt einst eine mehrere Meter dicke Trennlinie verlief.
Natürlich gibt es noch die Bernauer Straße, wo die Vergangenheit auf ein paar Quadratmetern konserviert wurde, komplett mit Wachturm und Todesstreifen. Doch – und das ist vielleicht gerade das Gute – diese Gedenkstätte ist heute ein surrealer Ort, so sehr ist die Metropole drumherum heute ein offener, ein freier, ein unbändiger Ort, der in so vielerlei Hinsicht von Grenzen nichts wissen will.
Das sind die offensichtlichen, die touristisch bestens erschlossenen, die einschneidenden Orte, die jeder Touristenführer abläuft, die alle Besucher mit einer Mischung aus Verwunderung, Bestürzung und Spannung fotografieren. Sie zeigen: Das Getrennte wurde verbunden, die Mauer eingerissen. Das Leben hat diese Grenze überwachsen. Die Berliner Mitte ist kein Mosaik aus Übergängen, sondern ein Ganzes geworden, in dem die Hinterlassenschaften zweier Geschichten oft nur einen Steinwurf voneinander entfernt sind.
Trennung und Vereinigung
Doch auch abseits davon gibt es Orte von Trennung und Vereinigung, die nicht weniger eindrücklich sind. Ein Besuch in Lichtenberg, Roederplatz. Überall Plattenbauten, nur manchmal etwas verschämt mit etwas Farbschmuck verziert, ansonsten DDR-Tristesse in Reinkultur. Hier sieht es aus wie an den Stadträndern von Halle oder Chemnitz, Wohnburgen reihen sich aneinander. Nicht selten ist es die mangelnde Perspektive für das eigene Leben, die die Menschen hier beschäftigt.

Zeuge der Teilung: Inschrift auf der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam
Ganz anders auf dem Theodor-Heuss-Platz im Westend. Eine gehobene Wohngegend mit Altbauten aus den 1920er bis 1950er Jahren, Geschäfte, das Haus des Rundfunks, ein Kabarett. Die Atmosphäre ist geschäftig; geht man ein paar Straßen weiter, wird sie immer gediegener. Man könnte sich hier auch in der Innenstadt von Bielefeld befinden, so sehr erinnert hier vieles an die alte Bundesrepublik. An Möglichkeiten zum Geld ausgeben fehlt es nicht.
Beide Orte sind nur 15 Kilometer voneinander entfernt – und zeigen, wie ambivalent diese Stadt ist, wie unvermischt Lebensstile und Milieus hier nebeneinanderher leben ohne die kleinsten Berührungspunkte miteinander. Doch es sind nicht zwei Städte, die manchmal mehr oder weniger aneinandergeklebt scheinen – es sind viele mehr. Wie auch in anderen Städten wie etwa Köln gelten die Stadtviertel hier viel, die Kietze. Es sind zahlreiche kleine Welten, in denen die Berliner leben – und das mitunter voller Stolz. Die eigene Blase zu verlassen ist nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.
Gemeinsames Strahlen
Daneben gibt es die großen Verbindungen, das gemeinsame Strahlen mancher Ecken der Stadt. Von der East Side Gallery im hippen Friedrichshain sind es nur ein paar Minuten über die Oberbaumbrücke ins nicht weniger hippe Kreuzberg. Die Umgebung ändert sich kaum, kleine Cafés und Konsum überall. Und doch hat man beim Gang über die Brücke eine alte Staatsgrenze überschritten.

Zwischen Teilung und Verbundensein: Blick über Berlin
Ist Berlin nun eine getrennte oder verbundene Stadt? Beides. Die alten Grenzen spielen oft nur noch in Anekdoten eine Rolle, arm und reich gibt es im Ost- wie im Westteil. Was anderswo regionale Blasen sind, in denen sich die Menschen ein wenig zu sehr um sich selbst drehen, hier ist das alles verdichtet und kondensiert. Die Trennung ist da und sie ist Alltag, hier wie überall.
Was die Stadt dagegen verbindet, ist das Stadt-Sein, sind die Menschen. Die Berliner und Touristen, die abends zum Feiern durch die halbe Stadt fahren, die jeden Tag mit den verschiedensten Menschen aus aller Herren Länder zu tun haben. Eine Stadt, in der die Vielfalt Alltag ist. Eine Stadt aber auch, in der alle von sich sagen, dass sie Berliner sind.
In Berlin im Kleinen lässt sich also auch das große Ganze ablesen: Eine Stadt, ein Land, ein Kontinent sogar voller Trennungen, voller Parallelgesellschaften – aber auch voller Verbindungen, voller Vielfalt im Kleinen. Der Alltag lässt vieles nebeneinanderstehen, das aber dennoch Berührungspunkte entwickeln kann. Was trennt und was verbindet, es liegt immer auch an jedem Einzelnen, wie sehr man die Trennung beschwört oder das Verbindende zulässt.
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