Was wir heute noch vom heiligen Martin lernen können
Bonn - Die Geschichte des heiligen Martin ist längst erzählt und außer einem Spendenaufruf für Obdachlose steckt nicht viel dahinter? Weit gefehlt! Gerade heute sollten wir uns die Geschichte noch einmal ganz genau ansehen.
Veröffentlicht am 08.11.2021 – SpiriteaHTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Die Sankt Martins-Geschichte von kennt wohl jeder. Martinus ist Soldat und reitet mit seinen Kameraden aus den Stadttoren. Er sieht dort einen armen, vor Kälte zitternden Mann sitzen. Die meisten Soldaten ignorieren ihn, manchmal wird sogar davon gesprochen, dass sie gelacht hätten. Doch Martinus steigt von seinem Pferd herab und gibt dem Mann einen Teil seines Mantels. Die Botschaft dieser Geschichte scheint so klar, dass man meint, sie müsste nicht noch einmal erklärt werden. Aber gerade heute ist sie aktueller denn je, denn es geht eben nicht nur darum, Obdachlosen etwas zu spenden (wobei dies sicherlich auch eine wichtige Tat der Nächstenliebe ist).
In Zeiten der Digitalität sind wir oft so mit uns selbst beschäftigt, dass wir gar nicht merken, was links und rechts von uns geschieht. Wir hetzten, voller Angst, etwas zu verpassen (Neudeutsch: fomo = fear of missing out), von Termin zu Termin und von Freizeitaktivität zu Freizeitaktivität. Auf Menschen, die nicht in diese "perfekte, instagramtaugliche" Scheinwelt passen, wird allzu oft herabgeschaut – wenn man sie in all der Hektik und Selbstbezogenheit überhaupt bemerkt.
Das ist natürlich etwas überspitzt, aber denke einmal selbst darüber nach: Wann hast du dir das letzte Mal Zeit genommen, innezuhalten und genau darauf zu achten, wie es deinen Mitmenschen geht? Verhält sich ein Freund im Hier und Jetzt vielleicht anders als sonst und du warst zu beschäftigt, es zu bemerken? Hattest du schon die ganze Zeit das Gefühl, dass bei deiner Nachbarin etwas nicht stimmt, hast es aber immer wieder beiseitegeschoben? Vielleicht bringt es der anderen Person schon viel, einfach mal nachzufragen, wie es ihr geht. Manchmal kann man schon mit ganz kleinen Gesten helfen und die Hilfe muss auch nicht immer materiell sein. Jemandem Aufmerksamkeit in der realen Welt schenken, ein nettes Wort verlieren oder Hilfe im Kleinen anbieten, ist mindestens genauso wichtig. Du kannst der Nachbarin etwas vom Einkaufen mitbringen, oder deinem Freund einfach einmal ohne Ablenkung zuhören.
Achtsam miteinander umgehen, dem anderen liebevoll begegnen und ihm helfen, darum geht es an Sankt Martin.
Auch aus der späteren Lebensgeschichte von Martinus können wir etwas lernen. Beim Volk war er bald so beliebt, dass die Menschen ihn zum Bischof wählen wollten. Er selbst aber lehnte dies ab, versteckte sich sogar in einem Gänsestall vor den Menschen. Wir kennen natürlich nicht die Gründe für seine Ablehnung. Eine Interpretation ist aber, dass er daran zweifelte, dem Amt gerecht werden zu können und dessen würdig zu sein. Hier waren die anderen Menschen ihm gegenüber achtsam. Sie erkannten etwas in ihm, das er selbst in seiner Bescheidenheit nicht erkannte. Sie wussten, dass er mit seinen Fähigkeiten der Richtige für das Amt ist. Auch hier war es die Achtsamkeit von anderen, die ihn auf einen Weg der Erfüllung brachten. Das Schicksal spielte zudem auch noch mit: Die Gänse schnatterten und verrieten seinen Aufenthaltsort, sodass er tatsächlich zum Bischof gewählt werden konnte.
Martinus wurde nach seinem Tod als einer der ersten Menschen heiliggesprochen, die kein Märtyrer waren (er ist also nicht für seinen Glauben gestorben). Seine Geschichte zeigt, was wir erreichen können, wenn wir nicht blind und mit Scheuklappen durch die Welt laufen, sondern unseren Mitmenschen mit offenem, hilfsbereitem Blick begegnen.