Der Trend zur Wunscherfüllung

Manifestieren: Eine andere Form des Gebets?

Bonn - Im Januar war in den sozialen Medien eins nicht wegzudenken: Influencer wollen durch "Manifestieren" ihre Zukunft bestimmen. Soll das etwa das klassische Gebet ersetzen? Was dahintersteckt und warum das Gebet einen entscheidenden Vorteil hat.

Veröffentlicht am 24.01.2022 – Spiritea

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Wer im Monat Januar viel Zeit in den sozialen Medien verbracht hat, wird an einem Phänomen nicht vorbeigekommen sein: Zahlreiche Influencer und Youtuber berichten von den Dingen, die sie im nächsten Jahr unbedingt erreichen möchten. Sei es mehr Familienzeit, ein neues Auto oder ein neuer Job. Dabei handelt es sich nicht um schlichte Vorsätze, wie man sie schon seit Ewigkeiten zum neuen Jahr gemacht (und meist schnell wieder verworfen) hat. Es handelt sich um Manifestationen.

Der Unterschied zu den Vorsätzen besteht darin, dass man beim Manifestieren fest daran glauben muss, damit es geschieht. Man schreibt sich den Wunsch beispielsweise auf einen Zettel und stellt sich jeden Tag vor, wie er in Erfüllung geht.

Wie funktioniert das Manifestieren?

Kann das funktionieren? Dafür gibt es verschiedene Theorien: Dadurch, dass man sich seiner Ziele bewusst wird, arbeitet man eventuell mehr oder weniger automatisch darauf hin. Manche sagen auch, dass die ganze Welt aus Energien besteht und das Manifestieren diese in Gang bringt und beeinflusst. Andere glauben an die Methode von Nikola Tesla. Für den spirituellen Wissenschaftler war die 369 eine Zahl, die das ganze Universum beeinflusst. Manifestiert man mit diesen Zahlen (dreimal seinen Wunsch aufschreiben, diesen sechsmal am Tag vorlesen und das jeweils neun Sekunden lang), soll eine Verbindung in eine vierte Dimension geschaffen werden, auf deren Ebene sich Wünsche leichter realisieren lassen.

Das klingt in der Tat irgendwie nach Zauberei und schnell hat sich in der christlichen als auch der muslimischen TikTok- und Instagram-Welt die Frage gestellt, ob Christen und Muslime überhaupt manifestieren dürfen. Man glaubt dabei schließlich daran, die Welt eigenständig nur durch seine Gedanken verändern zu können.

Bild: ©stock.adobe.com/pingpao

Eine Frau betet in der Natur.

Die Manifestation und das Gebet

Manifestieren scheint also mit einem Gebet auf den ersten Blick nichts zu tun zu haben. Man kann das aber, wenn man Energieflüsse und wundersame Zahlenkombinationen mal außer Acht lässt, auch anders sehen: Bittgebete haben im Christentum eine lange Tradition und auch im Islam gibt es das sogenannte „Duʿā'“, ein Wunsch- und Dankgebet. Auch beim Gebet formuliert man einen Wunsch und wird sich dessen dadurch oft erst so richtig bewusst. Im Markusevangelium findet sich die Zeile: „Alles, worum ihr betet und bittet - glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil.“ (Mk 11,24). Das ähnelt doch sehr dem Prinzip des Manifestierens.

Zum Beten gibt es beim Manifestieren dennoch einen entscheidenden Unterschied: das fehlende Vertrauen auf Gott. Auch wenn wir in diesem Jahr vielleicht nicht plötzlich reich werden oder das Auto bekommen, welches wir uns wünschen, können wir uns sicher sein, dass alles in unserem Leben einen Sinn ergibt und Gott uns auf den richtigen Weg leitet. Denn vielleicht ist das, was wir uns wünschen, ja gar nicht das, was wir brauchen. Ob wir es nun Manifestation oder Gebet nennen, natürlich können und sollen wir Wünsche haben und auf deren Erfüllung hoffen. Und es hilft auch, uns dessen bewusst zu werden, damit wir darauf hinarbeiten können. Aber auch, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, dürfen wir darauf vertrauen, dass alles nach Gottes Plan läuft.

von Meike Kohlhoff