Heute schon mal bedankt?

Die Sache mit der Dankbarkeit

Jerusalem - Danke – es ist ein so einfaches Wort, das wir viel zu selten sagen. Dabei gibt es so viel, wofür wir dankbar sein können, schreibt Schwester Gabriela Zinkl – und sieht im Dankbar-Sein auch einen positiven Effekt für uns selbst.

Veröffentlicht am 14.11.2022 – Spiritea

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Lange Zeit hatte meine Mutter in einem Schrank in ihrem Büro Pralinen vorrätig, immer mehrere Packungen von derselben Sorte. Diese Schokoladenpralinen waren nicht etwa für sie selbst gedacht, sondern reserviert für Besucher, Kunden, Lieferanten und sonstige hilfreiche Geister des Alltags. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, nahm sie aus ihrem Schrank eine dieser rechteckigen Packungen mit der Aufschrift "Merci" heraus und reichte sie ihrem Gegenüber mit Worten der Dankbarkeit. Die Empfänger waren jedes Mal ziemlich überrascht und strahlten über das ganze Gesicht vor Freude über diese nette Geste. Diese Erinnerung hat sich tief in mir eingebrannt. Natürlich bin ich als Kind oft an diesem Schrank vorbeigeschlichen, wohlwissend, was für einen kostbaren Schokoladenschatz er verbarg. Dieser Schrank und sein Inhalt waren ziemlich verlockend für mich, trotzdem achtete ich dieses "Versteck" wie kein anderes und freute mich, zu den "Eingeweihten" unserer Familie zu zählen, die von diesem besonderen Vorrat und um seinen Sinn wussten. Der Büroschrank oder besser sein Inhalt waren für mich unausgesprochen etwas Sakrosanktes, heilig, kostbar und unantastbar, denn die Schokoladenpralinen waren gerade nicht für mein persönliches Naschvergnügen bestimmt, sondern für eine gute Tat: als Geste der Dankbarkeit für ganz bestimmte Menschen und Situationen. Davor hatte auch ich kleine Rotznase über alle die Jahre größten Respekt. Später, als ich erwachsen und berufstätig geworden war und über einen Schreibtisch und zugehörigen Schrank verfügte, setzte ich diese liebgewonnene Tradition meiner Mutter fort. Fortan gab es in meinem Büro im Schrank stets einen kleinen Vorrat von Dankeschön-Pralinen, für alle Fälle, zur Freude meiner Kollegen und Kolleginnen, von Besuchern, Hausmeistern und Handwerkern und anderen hilfreichen Zeitgenossen.  

Dabei ist das mit der Dankbarkeit so eine Sache. Jeder von uns kennt aus der eigenen Kindheit das Stupsen der Eltern mit den Worten, "Wie sagt man …?", wenn man etwas von Opa, Oma oder anderen geschenkt bekommen hat und sich dafür artig bedanken sollte. Mal freiwillig, mal unfreiwillig kam dann ein "Oh ja, danke!" über unsere Lippen. Heute können wir darüber schmunzeln, wenn wir nur daran denken oder wenn wir diese Situation bei kleinen Kindern live mitbekommen.

Bild: ©privat (Symbolbild)

Danke sagen: Das kann man mit Gesten, Taten und Worten

Das Danke-Sagen haben wir also alle einmal gelernt. Danke, merci, thank you, grazie – in Sprachkursen lernt man dieses Wort sehr früh, schon in den ersten Unterrichtseinheiten, denn es ist in jeder Kultur auf der ganzen Welt selbstverständlich und wichtig, sich zu bedanken. Sich bei jemanden für ein Geschenk, einen Gefallen, eine Hilfe, ein Entgegenkommen zu bedanken, gehört zum guten Ton, mindestens. Wer das ignoriert, gilt schnell als undankbar, ein typischer Habitus von Egoisten bis hin zu Diktatoren und Gewaltherrschern. Für solche Menschen ist Dankeschön ein Fremdwort, denn sie sind sich selbst genug und achten nur auf ihren eigenen Vorteil. Leider kennt fast jeder von uns solche Menschen und hat immer wieder mit Exemplaren dieser Spezies zu tun, ob man will oder nicht. Auffällig an ihnen ist, dass sie ziemlich unzufrieden durchs Leben gehen, ja, sie sind nicht im Frieden mit sich selbst und schon gar nicht mit anderen, mäkeln viel lieber an ihrem Gegenüber herum, als dessen Beitrag und Ideen ernst zu nehmen und anzunehmen. 

Dabei wäre es doch so leicht, danke zu sagen. Aber da geht es schon los: Wer danke sagt, geht aus sich selbst heraus, ist einfühlsam und achtet auf die anderen. Und das kann und will nicht jeder und jede. Wer sich selbst genug ist, nur um sich selbst kreist, hat keinen Sinn dafür, dass ein kleines Dankeschön dem und der anderen Freude macht. Damit geht es los: sich in den und die andere hineinzuversetzen. Das ist eine Kunst, die es zu kultivieren gilt.

Verbunden mit dem Gegenüber

Danke sagen ist mehr als eine Höflichkeitsfloskel. Vielmehr zeigt es Anerkennung und Wertschätzung dessen, was ein anderer für uns getan hat. Wer danke sagt, ist mit der anderen Person auf besondere Weise verbunden. Denn sich bei jemandem zu bedanken heißt auch, den und die andere in seinen Erinnerung, seinen Gedanken lieb zu behalten. Das ist Anfang und eine hohe Aufgabe für uns alle, die wir doch allzu gern dazu neigen, kleine Egoisten zu sein. Nicht zuletzt ist die Grundeinstellung des Dankens eine wunderbare Medizin. Die Neurologen sagen, dass das Gefühl der Dankbarkeit Endorphine freisetzt, sogenannte Glückshormon. Das führt dazu, dass uns das kleine, unscheinbare Wort Danke glücklich macht. Es vertreibt jede Art von Unzufriedenheit bei uns selbst. Je dankbarer ein Mensch wird, desto mehr Positives zieht er in seinem Leben an. Dankbarkeit führt zur Wertschätzung des Lebens, so wie es ist – und nicht, wie wir es gerne haben würden.

Wo fängt man am besten mit dem Danke-Sagen an? Eine gute Gelegenheit ist auf alle Fälle der Morgen, gleich nach dem Aufwachen: "Danke, lieber Gott, dass ich heute Morgen wieder aufwachen durfte. Bitte begleite mich durch diesen Tag." Und was kommt dann? – Es wartet jede Menge auf uns, das einen kleinen oder großen Dank wert ist, und das jeden Tag: Ein Danke für den Sonnenaufgang, für das Licht der der Nachtischlampe, das fließende Wasser, den Strom, das Frühstück, das Essen und Trinken den ganzen Tag über, das uns am Leben hält, das Licht der Sonne, die Luft zum Atmen, die Bäume, das Gras, dass alles einfach da ist und wir das genießen dürfen. Morgens oder abends sind ideale Zeiten, um dem lieben Gott Danke zu sagen, einfach so, weil da in jedem Augenblick so viel um uns herum ist, wofür wir dankbar sein können. Das wussten übrigens schon die Autoren der Dankpsalmen des Alten Testaments, zum Beispiel in Psalm 23.

Übrigens kommt das deutsche Wort "danken" ursprünglich von "denken" und bedeutet, etwas in Gedanken zu halten und sich einer guten Sache erinnern, egal ob mit Worten oder mit einer Schachtel Pralinen. Danken heißt also auch: an jemand anderen denken, umdenken, neu denken. Das verändert uns, und das ist gut so. Hoppla, habe ich heute eigentlich schon Danke gesagt?

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.