Eine Geste, die nicht jedem leichtfällt

Kniebeuge – mehr als nur eine katholische Fitnessübung

Jerusalem - Die Kniebeuge: Was die einen als Fitnessübung oder Drill aus dem Sportunterricht kennen, hat im Katholischen eine tiefe Bedeutung. Schwester Gabriela Zinkl nimmt sie als Mini-Glaubensbekenntnis wahr – dabei ist manchen gar nicht bewusst, was die da tun.

Veröffentlicht am 30.01.2023 – Spiritea

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Sie gilt als Klassiker jedes Workouts, Angela Merkel empfahl sie vor einigen Jahren als kleine Aufwärmübung beim Zwischenlüften in winterlich-kalten Klassenzimmern; und doch scheiden sich an ihr die Geister, denn an ihr erkennt man bei Besuchern einer Kirche, ob jemand eher katholisch oder evangelisch geprägt ist: die Kniebeuge. Das Wort "Kniebeuge" erinnert die meisten von uns sicher erst einmal an den Drill im Sportunterricht der Schule. Damals ging es weniger darum, unter dem gestrengen Blick des Sportlehrers oder der Sportlehrerin möglichst schnell viele Kniebeugen zu absolvieren, als vielmehr um stramm ausgestreckte Arme, tiefes Beugen der Knie und das alles in möglichst aufrechter Haltung des Oberkörpers. Im Schulalltag war das für manche eine durchaus anstrengende Angelegenheit und nicht selten hatten die eher Unsportlichen nach dieser Übung Muskelkater in den Beinen. Nur all die durchtrainierten Fitnessenthusiasten werden bis heute nicht müde, in Muckibuden, Internetforen und per Video die optimale Ausführung einer Kniebeuge rauf und runter zu diskutieren; wie tief, wie schnell, wie oft und wie präzise soll man die Knie beugen, um die Muskeln optimal zu trainieren?

Fernab solcher sportlichen Diskussionen gibt es unter Kinobesuchern den netten Witz: Woran erkannt man, dass ein Priesterseminarist im Kinosaal ist? – Er macht vor dem Betreten der Sitzreihe eine Kniebeuge. Richtig, da ist es wieder, das Klischee: Katholiken erkennt man an der Kniebeuge in der Kirche. Warum ist das so? Die lutherische Tradition betonte in ihrer Frömmigkeitsgeschichte und Theologie letztlich andere Gebetshaltungen, sodass die Kniebeuge oder das kniende Gebet eine geringere Rolle als in der katholischen Spiritualität, deshalb gibt es in den meisten evangelischen Kirchen auch keine Kniebänke.

Nicht für mich, sondern für jemand anderen

Zurück zur katholischen Tradition der Kniebeuge, mit Fitness hat sie erst einmal nichts zu tun. Wer als gläubiger Katholik oder gläubige Katholikin in einer Kirche oder Kapelle eine Kniebeuge macht, dem geht es nicht um Stählung der Muskeln oder um präzise Ausführung. Das ist der feine Unterschied: Man oder frau macht die Kniebeuge nicht für sich selbst, sondern für jemand anderen, als Gruß oder Ehrerbietung für Jesus Christus. Neben dem Beten in Stille oder mit Worten oder Liedern haben sich in der kirchlichen, noch mehr und spezieller in der katholischen Tradition, Liturgie und Frömmigkeit bestimmte Körperhaltungen herausgeprägt, die das Gebet unterstützen und etwas Besonders ausdrücken, was nur durch Worte oder Stille nicht zu Ausdruck kommen würde. Die Kniebeuge ist eine Art kleines körperliches, ganzheitliches Gebet. Das steckt also hinter dieser "katholischen Fitnessübung": Sie ist ein Mini-Glaubensbekenntnis, ganz ohne Worte. Denn man hält inne in seinem Gehen und Tun, man beugt ein Knie und geht kurz zu Boden, mit Blick nach vorne, zum Kreuz und zum Tabernakel, um Jesus in diesem Kirchenraum zu grüßen. Denn er ist dort in der Eucharistie, im gewandelten Brot, aufbewahrt im Tabernakel präsent. Ein – zumeist rotes – brennendes Licht signalisiert diese Gegenwart Jesu in der jeweiligen Kirche und in diesem Kirchenraum.

Männer und Frauen in Ordenskleidung knien zum Gebet auf dem Boden.
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Symbolbild)

Die Kniebeuge hat eine jahrhundertelange Tradition.

Eine Kniebeuge zu machen beim Betreten einer Kirche, beim Hinausgehen, für manche auch vor oder nach dem Empfang der heiligen Kommunion, ist eine Frömmigkeitsübung und in vielen Gemeinden und Regionen jahrhundertelange Tradition. Manchen ist heute gar nicht bewusst, warum und was sie da tun, weil viele es fast automatisch machen. Gelernt ist gelernt, vor dem Hinsetzen oder Hinknien in eine Bank hat man eine Kniebeuge zu machen, weil alle das so machen, schon immer.

Dass jemand vor jemandem anderen freiwillig auf die Knie fällt, wird in unseren Breiten kaum mehr praktiziert, bestenfalls noch beim Hochzeitsantrag. Das Niederknien vor der erhofften Braut hat aber selten etwas mit freiwilliger Unterordnung des Mannes zu tun als eher mit romantischen Vorstellungen. Ansonsten gibt es Kniebeuge und die kleine Ausgabe, den Hofknicks, natürlich "bei Königs". In der Tat kennen die Königshäuser weltweit seit Jahrhunderten eigene Protokollvorschriften, wer sich vor wem und wie tief zu verneigen oder das Knie zu beugen hat. Daran kommt dann keiner oder keine vorbei.

Tradition seit alter Zeit

Im übertragenen Sinn steht diese Bedeutung auch hinter für Katholiken hinter der Kniebeuge. Sie ist eine Geste der Ehrerweisung für Christus, den wahren König, der auch schon im Neuen Testament so betitelt wird. Wenn wir Christus als unseren König verehren, zum Beispiel am Christkönigssonntag, und ihn so ansprechen in Gebeten und Liedern, macht es also Sinn, vor ihm in der Kirche eine Kniebeuge zu machen. Das ist nicht nur schöne Tradition der Begrüßung von Königen, sondern eine bekannte spirituelle Übung in vielen Religionen, wenn die Gläubigen sich Gott in einem Tempel oder besonderen Schrein nähern. Im Judentum und Christentum gibt es diese Tradition der Gottesverehrung "mit den Füßen" in Form einer Kniebeuge oder des Kniefalls schon bei den Menschen zur Zeit des Alten Testament, zum Beispiel hier:

"Ich werfe mich nieder in Ehrfurcht vor deinem heiligen Tempel" (Psalm 5,8).

"Kommt, lasst uns niederfallen, uns vor ihm verneigen, lasst uns niederknien vor dem Herrn, unserm Schöpfer!" (Ps 95,6).

In derselben Gebetstradition beugten auch Jesus und seine Jünger wie ihre Zeitgenossen die Knie aus Ehrfurcht vor Gott:

"Dann entfernte er [Jesus] sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete" (Lk 22,41).

Auch der Apostel Paulus schreibt an die Gemeinde in Ephesus: "Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird" (Eph 3,14f).

Wie ein stummes Gebet

Knien und Sich-Niederwerfen macht den Menschen klein. Das fällt nicht jedem und jeder leicht, nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern auch aus geistlicher Überzeugung. Eine Kniebeuge in der Kirche hat nichts zu tun mit Erniedrigung oder Sklaverei, sondern sie ist Reverenz an den, vor dem man das Knie beugt. Sie ist Bekenntnis zu Jesus. Wer niederkniet, macht sich klein und niedrig vor Gott. Es ist ein Zeichen der Hingabe und Demut. Weil wir auf Jesu Namen getauft sind, wenden wir uns ihm zu, denn er ist für uns da, allezeit. Vor ihm knien wir bittend und dankend. Auf diese Weise erkennen wir die Größe Gottes an. Es ist wie ein stummes Gebet. Jedem und jeder steht es frei, eine Kniebeuge zu machen, auch eine Verneigung ist möglich. Wer das nicht ausführen mag oder kann, der oder die schafft vielleicht wenigstens eine andere kleine Geste des Innehaltens vor der Gegenwart Jesu im Tabernakel: ein stiller Gruß, ein kurzer Stopp zwischendrin in all dem, worauf wir uns sonst so konzentrieren und womit wir eben noch mit unseren Gedanken beschäftigt waren.

Dann macht die Kniebeuge oder die Verneigung wirklich Sinn: nicht als Flüchtigkeitsgeste, sondern wenn wir uns dadurch mit Leib und Seele für einen Moment vergegenwärtigen: Jesus ist für mich da. Jetzt und immer. Man kann angesichts dieser Erkenntnis vor Ehrfurcht die Schuhe ausziehen, so wie Mose es getan hat (Ex 3), man kann sich ganz auf den Boden werfen in Form einer sogenannten "Prostratio", wie es in der Liturgie der Diakonen, Priester- oder Bischofsweihe, der Ordensprofess oder am Karfreitag der Fall ist – als Zeichen der Hingabe der individuellen Person an Gott. Ansonsten kann man immer und jederzeit eine Kniebeuge machen oder eine Verneigung. Schaden kann diese katholische Fitnessübung sicher nicht, im Gegenteil, sie rückt bei uns gedanklich und körperlich so einiges zurecht.

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.

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