Wo Worte allein nicht ausreichen

Frieden beginnt mit Handarbeit – die schöne Geste des Friedensgrußes

Jerusalem - "Krieg spielen" – so makaber das klingt, gehört es bei vielen Kindern mit entsprechendem Spielzeug dazu. Schwester Gabriela Zinkl fragt sich: Und wie spielen wir Frieden? Wie "macht" man diesen überhaupt? Den Anfang findet sie in einer Geste.

Veröffentlicht am 13.02.2023 – Spiritea

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"Made my day" sagen wir manchmal, wenn irgendjemand oder irgendetwas unseren Tag gerettet und doch noch zu einem positiven Ausgang geführt hat. Es ist nicht lange her, dass ich das freudestrahlend zu jemandem sagte und es passte in diesem Moment wie die Faust aufs Auge, denn mir hatte jemand aus der Patsche geholfen oder besser: aus der Pfütze. Nur zu gut erinnere ich mich an diesen nasskalten Abend, als ich auf dem Gehweg im Halbdunkel in eine knöcheltiefe Regenpfütze gestolpert war. Fast hätte ich das Gleichgewicht verloren, als mir jemand die Hand reichte und mir aus diesem Schlamassel heraushalf. Als mein Blick nach oben ging, sah ich in die freundlichen Augen einer jungen israelischen Soldatin in Uniform. "Made my day!", schmetterte ich ihr entgegen, selten passten für mich diese Worte so wie in diesem Moment und an diesem Tag. Diese Soldatin hat mich nämlich mit dem ganzen Tag versöhnt, nicht nur wegen des kalten Regenwetters. Denn der Tag hatte eher unerfreulich begonnen, mit dem Anblick eines Gewehrs. Frühmorgens lief mir nämlich ein Kindergartenkind über den Weg und hielt mir voller Stolz seine neueste Errungenschaft entgegen, die Nachbildung eines Maschinengewehrs aus Plastik. Meine Freude hielt sich in Grenzen und es kostete einiges an Überredungskunst, damit dieses tolle Spielzeug an der Garderobe verstaut und nicht den anderen Kindern vorgeführt wurde. Nachmittags erwischte ich gerade noch den Zug auf dem Weg zu einem Termin und war froh, einen Sitzplatz ergattert zu haben. Kurz nach der Abfahrt spürte ich an meinem Bein einen harten, kalten Gegenstand. Beim Blick nach unten hätte ich beinahe laut aufgeschrien. Da war zwar keine Schlange, aber der Lauf eines Maschinengewehrs! Schon wieder so ein Ding! Diesmal sogar ein echtes, großes, das meine Sitznachbarin, wohl eine junge Soldatin, mit sich führte. Ich versuchte mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass diese Waffe ja auch der Sicherheit aller Passagiere hier im Zug dient. Immer positiv denken!

Bei der weiteren Zugfahrt, das Gewehr bei Fuß, musste ich wieder an das Kindergartenkind denken. Die meisten Kinder "spielen" gerne Krieg und Kampf, das ist ganz normal. Miteinander raufen, rangeln und kämpfen, mit den Fäusten, mit Stöcken, mit unsichtbaren Waffen oder mit Spielzeugpistolen, das gehört zum Aufwachsen. Und Kinder können sehr genau unterscheiden zwischen Phantasiewelt und Wirklichkeit. Sie wissen genau, dass sie im "echten" Leben keine Yedi-Ritter, Polizisten oder Ninja-Kämpfer sind. Das ist nur gespielt. Krieg spielen, kennen wir, und haben dieses Rollenspiel als Kinder genauso gespielt wie Vater-Mutter-Kind, Einkaufen oder Arztbesuch. Seltsam, es gibt die Redewendung "Krieg spielen" und das Wort "Kriegsspielzeug", aber "Frieden spielen" und Friedensspielzeug? Noch nie davon gehört! Vielleicht liegen die Probleme unserer Welt alle nur an den falschen Spielsachen?

Können wir "Frieden spielen"?

Wie spielt man Frieden? Wie macht man Frieden? – Darauf gibt es keine einfache Antwort. Wir kennen Friedensverhandlungen zwischen Politikern und Streitparteien. Es gibt die Friedensbereitschaft, eng verwandt mit ihrer kleinen Schwester, der Kompromissbereitschaft. Es gibt den Friedensplan, die Friedensstrategie, genauso wie die Kriegsstrategie, und generell das friedvolle Miteinander. Und zu Weihnachten gibt es jedes Jahr das Friedenslicht von Betlehem, von den Pfadfindern in Betlehem, dem Geburtsort Jesu entzündet und durch die Welt, friedlich über alle Grenzen hinweg, weitergegeben.

Stimmt, es gibt auch noch das Gebet um Frieden. Jeden Tag, jede Stunde, von vielen Menschen privat und immer auch irgendwo in einer Kirche. So gut wie kein Gottesdienst kommt ohne Gebet und Hoffnung auf Frieden aus. Denn leider gibt es immer noch in mindestens einer Ecke unserer Welt zwischen irgendwelchen Menschen Krieg. Um irgendetwas, nach jahrelangen kriegerischen Handlungen wissen die Involvierten oft schon selber nicht mehr, warum genau sie jetzt eigentlich Krieg führen und was das wirklich Feindliche am Gegenüber ist. Man hat sich an den Krieg gewöhnt und will auf Teufel komm raus etwas erreichen, natürlich nur zum eigenen Vorteil.

Bild: ©Fotolia.com/Berchtesgaden (Symbolbild)

Der Friedensgruß ist Bestandteil der Messe.

Für Frieden gibt es kein Vorbild, keine Plan, keine klaren Vorschriften. Jeder Friedensschluss, Friedenspakt, jede Versöhnung ist doch wieder individuell, sie hängt von den Beteiligten ab.

Frieden ist mehr als Gegenteil zum Krieg, deshalb gibt es kein Patentrezept, leider auch keine schnellen Lösungen. Genau deshalb fällt uns das mit dem Frieden ja so schwer, im Kleinen wie im Großen.

Nicht nur die Abwesenheit von Krieg

Das Wort "Frieden" im biblischen Kontext betrachtet, steht nicht nur für die Abwesenheit von Krieg. In der biblischen wie in der modernen hebräischen Sprache gibt es dafür das wunderschöne Wort "Shalom". Und das meint viel mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Shalom meint umfassendes Glück, Gesundheit und Wohlergehen des und der Einzelnen wie der ganzen Gemeinschaft. Und das lässt sich nur schwierig spielen.

Für Frieden reichen schöne Worte allein nicht aus. Frieden stiften, in Frieden leben ist eine Aufgabe. Und die geht jeden und jede von uns, nicht nur die Politiker. Denn wir alle wollen doch nur eines: in Frieden leben, oder? Frieden beginnt ganz konkret ei mir selbst. Ich muss mit mir selbst versöhnt sein, nur so kann ich mit den anderen friedlich umgehen. Frieden umsetzen, dazu reiche schöne Vorsätze, Gedanken und Worte allein nicht aus, sondern dafür braucht es ganz konkretes Tun. In der Liturgie der katholischen Kirche weiß um diese Notwendigkeit und bleibt nicht nur beim Gebet und frommen Wunsch, die ihre wichtige Berechtigung haben. Bevor die Gläubigen in der Eucharistiefeier zum Empfang der Kommunion, des Leibes und Blutes Christi, eingeladen sind, werden sie vom Priester oder Diakon dazu aufgerufen: "Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung." An dieser Stelle ist im Gottesdienst der Zeitpunkt, den schönen Worten und Gebeten eine Tat folgen zu lassen. In unseren Breiten ist das das Reichen der Hand zum Friedensgruß, zumindest für die Nächsten von unserem Platz aus. Das ist eine sehr starke Geste! Vor ein kleines Detail verdient Aufmerksamkeit: Zum Friedensgruß muss man die Hand frei haben. Frieden beginnt mit den Händen, ganz konkret. Friedensarbeit ist Handarbeit! Man braucht die Hände, um Frieden zu schließen: Wenn man dem anderen die Hand reicht. Wenn man die Friedensfahne schwingt. Wenn man die Waffen aus den Händen legt. Wenn man alle Gegenargumente und eigenen Ansprüche fallen lässt.

Der Friedensgruß in der Liturgie, im westlichen Bereich das Reichen der Hände oder im asiatischen Bereich das Falten der Hände mit Verneigung, ist übrigens der kleine Bruder des Friedenskusses. Beim Friedenskuss umarmt man sich gegenseitig mit ausgebreiteten Händen und deutet links und rechts einen Kuss an. Diese Geste war in der Zeit der Frühen Christen sichtbares Zeichen des Friedensgrußes. Ob Friedensgruß oder Friedenskuss, Frieden wird konkret durch meine eigene Achtung und Wertschätzung des und der anderen. Genau das zeigt diese Geste: Friede ist nicht nur ein Wort. Frieden ist keine Show. Frieden, das sind Taten. 

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.

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