Angelehnt an Papst Franziskus' "Laudato si!"

Frühlingsgefühle: Wenn wir genießen und uns auch sorgen sollten

Jerusalem - Wo man auch hinschaut, sprießen bunte Blumen aus dem frischen Grün der Wiese. Da muss man schon ein Miesepeter sein, wenn das nicht die Stimmung hebt, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Gleichzeitig macht sie sich jedoch auch Sorgen.

Veröffentlicht am 27.03.2023 – Spiritea

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Langsam aber sicher kriechen sie wieder heraus aus der dunklen Erde: Schneeglöckchen, Krokusse, Märzenbecher, Narzissen und viele andere Naturschönheiten mehr. Mit ihren leuchtenden Farben bringen sie diese einmalige Stimmung in unsere bis dato tristen Vorgärten, Grünanlagen und Parks.

Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land

Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

(Eduard Mörike, 1804-1875)

Also mal schnell den Gedicht-Klassiker aus Schulzeiten hervorkramen und sich wieder an die Zeit und das Gefühl erinnern, als man diese Zeilen auswendig gelernt hat und so gar keine romantischen Natur-Gefühle aufkommen wollten – dabei hatte die Lehrerin doch extra davon vorgeschwärmt. Heute, mit etwas zeitlichem Abstand zur damaligen Hausaufgabe, kann ich Eduard Mörike deutlich mehr abgewinnen. Vielleicht liegt das daran, dass ich inzwischen erwachsen geworden bin, das Leben und die Jahre einfach so an mir vorbeigezogen sind und der Frühling genau jetzt heraussticht aus dem sonstigen Einerlei und Hin und Her. Und das hat ganz allein diese kleine Narzisse im Garten geschafft. Phänomenal! Was für ein Geschenk, da kann kein Blumenladen mithalten.

Der Blütenstand eines Mandelbaums.
Bild: ©doris oberfrank-list/Fotolia.com (Symbolbild)

Wenn draußen alles blüht, sind Frühlingsgefühle nicht weit.

Da draußen auf der Wiese, ganz unschuldig im Beet oder – mit Überraschungseffekt – mitten in der Insel im Kreisverkehr sind sie in den letzten Wochen aufgetaucht und strahlen rundum fröhlich vor sich hin. Mit ihren leuchtenden Farben in Gelb, Weiß, Lila oder zartem Violett machen sie ganz dezent auf sich aufmerksam. Da muss man schon ein absoluter Miesepeter sein, um bei ihrem Anblick nicht in gute Laune zu verfallen. Und dann ist da noch dieses sagenhafte Grün überall. So ein unglaubliches frisches, dynamisches Grün. Jede Farbpalette im Malergeschäft ist nur ein fader Abklatsch dagegen. Denn dieses Grün wirkt erst durch die großen Flächen da draußen so stark und leuchtend. Das Grün der frischen Blätter an den Bäumen, das zarte Grün der Grashalme in den Wiesen und Rasenanlagen oder am Flussufer um einen See herum. Gefühlt sind das mindestens 1.000 Variationen der Farbe Grün, wohin man auch blickt. Und all das ist nicht künstlich hergestellt am Computer, sondern aus reinstem Natur-Design gemacht. Das erinnert mich an das Zitat, dass die Forscher heute eine Grashalm bis ins Detail analysieren können, es aber nicht schaffen, ihn mal einfach so zusammenzubauen. Künstlich bekommt man diese Naturschönheiten nicht hin, noch nicht mal einen Grashalm oder Regenwurm.

Klinge ich jetzt so schwärmerisch wie meine damalige Grundschullehrerin? Vielleicht ist heute der richtige Zeitpunkt dafür, sich zu freuen über das frische Grün, über die Frühlingsboten und über den Aufbruch in der Natur, ganz im Sinn von Eduard Mörike. Ein wenig verzaubert durch diese Farben und die Frühlingssonne will ich mir meine Freude an der Natur in diesem Frühling gönnen, warum denn nicht? Und ich will mich gleichzeitig um diese Schönheiten sorgen. Denn beides macht Sinn: die Freude und die Sorge um all das Wunderschöne um mich herum. Wenn mir etwas nämlich wirklich viel bedeutet, ein Mensch, mein Glaube oder eben auch die Natur – dann gehört ja die Sorge und das Hineindenken in den anderen irgendwie immer mit dazu.

"Über die Sorge für das gemeinsame Haus"

So ähnlich hat das übrigens auch Papst Franziskus in seiner berühmten Enzyklika über die Schöpfung geschrieben (in 2015): "Laudato si!" – das heißt so viel wie "Lob sei Gott!" oder "Ich lobe Gott!" und geht zurück auf den Sonnengesang des heiligen Franziskus von Assisi (1181/82-1226). Er ist deshalb ein besonderer Heiliger, weil er in der Natur, in den Tieren, ja in allen Lebewesen und in der ganzen Schöpfung Gottes Spuren für uns entdeckt hat. Dazu braucht man wie Franziskus von Assisi einen aufmerksamen Blick, wache Augen und Ohren, ansonsten geht man an all diesen Schönheiten einfach vorbei. Ist das nicht viel zu schade bei all der Mühe, die sich die Frühlingssonne und die Frühlingsblumen zur Zeit machen und um unsere Aufmerksamkeit buhlen? "Laudato si!" heißt auch: Ich darf und soll Gottes wunderbare Schöpfung aus vollen Herzen preisen und mich an ihr freuen, gerade jetzt im Frühling. Und genauso soll ich auch hinschauen, wenn diese Schöpfung leidet. "Über die Sorge für das gemeinsame Haus", also für unsere gemeinsame Erde, lautet nämlich der Untertitel des Papstschreibens.

Für mich heißt das: Ich darf den Frühling, sein Licht, seine Farben, seine Düfte in der Natur in vollen Zügen genießen. Das geht schon los mit dem Rausgehen, hinaus ins Licht, ins Freie. Und dann nicht einfach an all den Überraschungen der Natur um uns herum vorbeilaufen, sondern sich Zeit nehmen, einfach mal stehen bleiben und die Farben wahrnehmen. Noch besser gelingt das, wenn ich mich auf eine Parkbank setze und den Anblick in seiner ganzen Fülle genieße. Jetzt ist sie wieder da, die Genießer-Zeit für ein paar Minuten im Park. Sich von den Sonnenstrahlen auf der Nase kitzeln lassen. Nach dem Genießen kommt die Fürsorge: den Gebrauch von Plastiktüten und Sachen dieser Art reduzieren, beim Einkaufen und in der persönlichen Verwendung. Unrat und kleinen Müll von der Wiese und Straße aufheben und ordentlich wegwerfen, bevor die Straßenreinigung und Gärtnertruppe anrücken muss. Die Natur als Gottes Geschenk achten und schätzen und bewahren, damit der Frühling auch im nächsten Jahr wieder sein blaues Band durch die Lüfte flattern lassen kann.

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.

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