Parallelen zu Fans und Sportlern

Wie beim Anfeuern bei einem Marathon: Ein Segen sollst du sein

Jerusalem - "Du schaffst das!", "Endspurt!", "Du bist spitze!": Bei einem Marathon feuern Menschen die sportlichen Läufer an. Schwester Gabriela Zinkl entdeckt Parallelen zum Segen und Segnen – etwas typisch Katholischem.

Veröffentlicht am 11.09.2023 – 

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Es ist das letzte Stück des jährlichen Stadtmarathons. Bis zur Ziellinie sind es nur noch wenige hundert Meter, dann haben es die Läuferinnen und Läufer endlich geschafft. Am Wegrand der Laufstrecke stehen jede Menge Fans, Familien, Schaulustige und Sportbegeisterte und feuern die Athleten für die letzte Etappe nochmal richtig an: "Du schaffst das!", "Endspurt!", "Du bist spitze!", "The winner takes it all!". Es ertönen jede Menge Jubelrufe, Tröten und kleine Fanfaren, den Läufern werden nochmal Wasserbecher und Energieriegel zugesteckt. Applaus und anfeuerndes Klatschen begleitet sie auf ihrem Weg und als sie in die Zielgerade einbiegen, regnet es Konfetti. Es ist nicht zu übersehen, dass die Läuferinnen und Läufer jetzt nochmal alles geben und trotz der großen Entkräftung mit Stolz geschwellter Brust im Ziel einlaufen. Geschafft!

Das Anfeuern beim Zieleinlauf hat eine ganze Menge zu tun mit "Segen" und "Segnen". Auf den ersten Blick erscheint dieser Vergleich vielleicht ungewöhnlich: Sind der Segen und das Segnen nicht etwas typisch Kirchliches und nur etwas für Menschen, die daran glauben? Ist es nicht so, dass die Fans auf der Zielgeraden damit so rein gar nichts am Hut haben; sie wollen die Läufer doch nur anfeuern, nicht mehr und nicht weniger.

Beispiele in der Bibel

Dieses "Anfeuern" im Sinn von "Ermutigen", "Bestärken", "jemandem etwas Gutes zusprechen" hat genau die Bedeutung, die die hebräische und griechische Originalsprache der Bibel für "Segen" und "Segnen" verwendet. Das Alte Testament hält dazu viele Beispiele bereit:

"Ich werde dich segnen … und ein Segen sollst du sein" (Gen 12,2), spricht Gott zu Abraham.

"Der Herr denkt an uns, er wird uns segnen" (Psalm 115,12).

Den Segen empfangen, gesegnet sein, das ist genauso so wie das Anfeuern. Da spricht jemand gute Worte über mich aus oder in mein Leben hinein. Und das sind nicht nur leere Worte, sondern Worte, die etwas bewirken. Das sind Worte, die mir persönlich Kraft geben, mich anfeuern, mit guttun – so wie bei den Läufern im Schlusssprint vor dem Zieleinlauf. Es sind Worte, die bewirken, was sie aussprechen.

In der Bibel ist es meistens Gott, der uns segnet. Genauso gibt er uns den Auftrag, andere zu segnen und für andere ein Segen zu sein, also anderen Gutes zu tun, sie zu ermutigen, in Seinem Sinn zu handeln. Schon ganz am Anfang der Bibel wird das ganz deutlich. Nach der Erschaffung der Menschen blickt auf seine Geschöpfe und ermutigt und bestätigt sie: "Sehr gut!" (Gen 1,31). Schon das ist ein Wort des Segens. Und dann heißt es ausdrücklich "Und Gott segnete sie" (Gen 1,28). Dieser Segen ist in der Bibel, wie alle Worte Gottes, nicht nur leeres Gerede, nicht nur Schönfärberei. Mit diesem Segen ist gemeint, dass die Menschen und die ganze Schöpfung in Frieden leben mögen, dieser Segen bedeutet Gesundheit, Nahrung, Kinder, Wohlergehen, Freude und gelingende Beziehungen. So einen handfesten Segen spricht Gott durch die ganze Bibel hindurch den Menschen als seinen Geschöpfen immer wieder zu.

Bild: ©KNA (Symbolbild)

Den Segen können wir nicht nur empfangen, wir können ihn auch weitergeben.

Sei gesegnet“ oder „Bleiben Sie behütet“, schreiben oder spreche heute manche Christen gerne als Abschiedsgruß am Ende einer Karte, einer E-Mail oder am Schluss eines Instagram-Videos.

Dazu gibt es auch einen langen Segenstext, der in vielen kirchlichen Gottesdienst als Schlusssegen verwendet wird. Es ist ein bestärkender und programmatischer Text zugleich:

„Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,24-26).

Diesen Segensspruch, heute bekannt als Aaronitischer Segen, gab Gott dem Mose mit auf den Weg, um ihn über seinen Bruder Aaron und seine Familie auszusprechen. In diesem Segen verspricht Gott, dass er für uns da ist. Das ist nicht als mysteriöse Zauber- und Beschwörungsformel gemeint, sondern beruht auf einer persönlichen Beziehung.

Das älteste heute noch erhaltene Stück der Bibel

Einen Vorläufer dieser Segensworte fanden Forscher 1979 bei Ausgrabungen in Jerusalem, in einem Felsengrab im so genannten Hinnomtal nahe der Altstadt. Die dort entdeckten Textrollen stammen aus dem 8. Jahrhundert vor Christus und sind mehrere hundert Jahre älter als die biblischen Textrollen von Qumran am Toten Meer. Damit sind diese Segensworte und der Aaronitische Segen das älteste Stück der Bibel, das heute noch erhalten ist. Der Segensspruch ist auf einem kleinen zusammengerollten Stück Silber eingraviert. Was für ein schönes Bild dafür, wie wertvoll solche Worte sind, und wie sie uns Menschen im Leben und im Sterben begleiten können.

Segen kann man nicht nur empfangen, sondern auch weitergeben: Schon in der Bibel etwa legen Eltern ihren Kindern die Hände auf uns segnen sie. Jesus forderte dazu auf, die Feinde zu segnen, anstatt über sie zu fluchen. Und diese Anregung wird in den Briefen der ersten Christen gleich mehrmals wiederholt. Segen ist wie ein Geschenk, das man gleichzeitig empfangen und weitergeben kann.

Der Herr segne uns, damit wir zum Segen werden, damit wir den Marathon des Lebens bewältigen und andere dazu ermutigen können.

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.

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