Wie wir das Paradies schon auf Erden erleben

Rätselhaft, geheimnisvoll und faszinierend: Wo ist der Himmel?

Jerusalem - Es hat immer wieder etwas Magisches, hoch in den Himmel zu blicken. Wir können ihn zwar deutlich sehen und doch ist er unbegreiflich, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Und wie ist es "im Himmel"? Sie hat eine Idee.

Veröffentlicht am 23.10.2023 – 

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Im Gras liegen und den Wolken zusehen, wie sie langsam vorbeiziehen. Den Kopf weit in den Nacken legen und einfach in den Himmel schauen. Den Vögeln nachblicken, wie sie dort oben federleicht durch die Luft gleiten. Nachts nach dem Großen oder Kleinen Wagen suchen und dabei Glühwürmchen und blinkende Flugzeuge am Nachthimmel entdecken. Mit dem Himmel über uns ist es schon eine seltsame Sache: Wir können ihn deutlich sehen und nehmen wahr, dass es da oben, jenseits unserer eigenen vier Wände, etwas Unerreichbares gibt. Wir können den Himmel nicht greifen und nicht wirklich begreifen, auch wenn es dafür jede Menge physikalische Erklärungen gibt, von der Farbe, über die Bewegung von Wind, Wolken und Sonne bis hin zu Mond, Sternen und anderen Planeten. Wir sehen den Himmel mit unseren Augen, bei Tag und bei Nacht. Egal, ob der Wind den Drachen hochsteigen lässt, ob wir einem Heißluftballon nachschauen, mit dem Flugzeug quer um die Welt fliegen oder Videos von der Mondlandung und von Raketenstarts und Weltraumstationen verfolgen – der Blick nach oben bleibt letzten Endes immer rätselhaft, geheimnisvoll und faszinierend.

"Weißt du, wo der Himmel ist?", so haben wir schon als kleine Kinder gefragt und auch jetzt als Erwachsene immer noch keine richtige Antwort gefunden. "Oma schaut uns jetzt vom Himmel aus zu und passt auf dich auf!", ist ein guter Trost in allen Lebenslagen. Aber auf die Frage, "ob unser Meerschweinchen eines Tages auch in den Himmel kommt?", wissen wir nicht wirklich eine Antwort, stimmt´s?

Das Wort "Himmel" hat im Deutschen einen schönen Klang. Viele mögen es gern, es ist eine Art Wohlfühl-Metapher, denn man denkt sofort an einen strahlend blauen Himmel bei Sonnenschein. Das Wort Himmel ist absolut positiv besetzt, es klingt nach Geborgenheit, nicht nur wegen des Himmelbetts, des himmlischen Vergnügens oder der Vorstellung des paradiesischen 7. Himmels. Das deutsche Wort "Himmel" ist germanischen Ursprungs und meint das Bedeckende im Sinn einer Decke oder Hülle, es meint den räumlichen Aspekt dessen, was sich über uns befindet und sich über unsere Lebenswelt wölbt. Die englische Sprache hat dafür sogar zwei verschiedene Wörter, einnmal "sky" für den sichtbaren Himmel, mit Wolken, Wind und Wetter, und "heaven" für die Himmelssphäre, die sich unseren Blicken und Kenntnissen entzieht. "Heaven" oder Himmel ist also der Hoffnungsort und das hoffentlich ewig anhaltende Gefühl von Geborgenheit, Liebe, Frieden und Ruhe am Ende aller Zeiten. Was für ein traumhafter Ort!

Bild: ©dpa/Daniel Reinhardt (Symbolbild)

Immer wieder faszinierend, was es am Himmel zu entdecken gibt.

Allen Religionen ist gemeinsam, dass sie, in welcher Sprache auch immer, vom Himmel sprechen. Der Himmel ist in allen religiösen Vorstellungen der Ort, wo Gott zuhause ist. Im Glauben der Christen spielt der Himmel eine zentrale Rolle, nicht nur weil Jesus in den Himmel aufgefahren und Maria in den Himmel aufgenommen ist. Es geht um viel mehr, nämlich ganz konkret um jeden einzelnen von uns. Im Vater Unser, dem Gebet das alle Christen gemeinsam beten, ist zweimal vom "Himmel" die Rede. Es geht schon los mit "Vater unser im Himmel …", und kurz darauf beten wir nochmal "dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden". Zweimal kommt der Himmel vor in dem Gebet, das unseren Glauben und unsere Hoffnung an Gott präzise auf den Punkt bringt. Wie schade, dass wir das viel zu oft einfach so dahin sagen und beten, ohne diesen Text wirklich ernst zu nehmen. Dabei hat dieses Gebet doch einen besonderen Auftrag an uns: Wenn du an Gott glaubst, dann mach die jetzt schon bereit für den Himmel, doch mehr: tue alles dafür, dass es schon jetzt ein Stück Himmel auf der Erde gibt.

 "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" (Genesis 1,1)

Das ist der erste Satz der Bibel, damit beginnt der 1. Schöpfungsbericht des Alten Testaments. Im biblischen Verständnis von "Himmel" zeigt sich das altorientalische Weltbild der damaligen Zeit. Im Alten und im Neuen Testament ist der Himmel der gesamte Raum über der Erde. Er ist von der Erde getrennt und kann doch nicht ohne sie sein, denn beide bilden zusammen das Ganze der Schöpfung Gottes. In vielen Texten der Bibel spiegelt sich das damalige Weltbild wider, wonach die Welt aus drei Stockwerken besteht: die dunkle Unterwelt unter unserer Erde (als Scheibe) als Reich des großen dunklen Urmeeres und der Schatten. Dann kommt als "Erdgeschoss" die Erde als Wohnort der Menschen. Darüber spannt sich der Himmel, der Wohnort Gottes, der Engel, aller Heiligen und Gerechten. War der Himmel für das Alte Testament noch den meisten Menschen verschlossen, allenfalls fanden die Propheten dort Aufnahme, so sieht das Neue Testament Jesus als den Sohn Gottes quasi als unseren Türöffner zum Himmel. Wer an ihn glaubt, der hat die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben. Und dann kommt man in den Himmel. Ist der Himmel also nur für alle, die schön brav Jesus folgen? Was ist nochmal mit allen Menschen, denen wir dort lieber nicht begegnen möchten und mit unserem Meerschweinchen und überhaupt mit allen, die wir zu Grabe getragen haben?

Wer kommt in den Himmel?

Ein bisschen klingt alles nach Eintrittskartenkontrolle am Eingang zum himmlischen Freizeitpark oder zum besonderen Back-Stage-Bereich, nur wer das richtige Ticket hat, bekommt die Vorzüge und Vergünstigungen. Eigentlich können wir nicht wirklich viel sagen über diesen Himmel, wir waren ja nicht dort und haben auch keinen Kontakt zu jemandem, der schon im Himmel ist. Als Christen können wir aber immerhin so viel sagen: Wir glauben, dass das, was uns im Zustand des Himmels erwartet, eine Wirklichkeit ist, und die ist unabhängig davon, ob man vorher daran geglaubt hat oder nicht. Als Christinnen und Christen glauben wir daran, dass nach unserem Tod der Himmel auf uns wartet. Der Himmel ist kein unerreichbares Jenseits, sondern vielleicht eher ein Ort und eine Zeit, wo alles heil, friedlich und geborgen ist. Darauf dürfen wir uns freuen, mit Oma, dem Meerschweinchen und allem Drum und Dran, was wir lieb gewonnen haben.

Eigentlich ist die Antwort darauf, wo der Himmel ist, doch gar nicht so schwer: die Augen schließen, sich himmlische Zustände, gelungene Gemeinschaft, friedliches Miteinander vorstellen – und dann die Augen öffnen und den Himmel schon jetzt auf Erden Realität werden zu lassen, so, wie wir es jeden Tag im Vater unser beten.

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.

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