Schritt für Schritt in die Ewigkeit

Unterwegs ins neue Jahr – auch auf Umwegen

Jerusalem - Die Zeit "zwischen den Jahren": Eigentlich stand für Schwester Gabriela Zinkl an, die Füße hochzulegen. Doch dann erreichte sie ein wichtiger Brief – der ihr zum neuen Jahr etwas Großes wieder bewusst machte.

Veröffentlicht am 01.01.2024 – 

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Keine neuen Nachrichten im Posteingang. Das ist zwar ungewohnt, irgendwie aber auch beruhigend. Es muss an der Jahreszeit liegen, denn in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr trudeln deutlich weniger E-Mails, Briefe und andere Nachrichten in unseren Postfächern ein als sonst in einer ganz normalen Woche. Bis auf die obligatorischen Fotos mit Christbäumen, Weihnachtskrippen und Kindern beim Krippenspiel herrscht auf allen Kanälen Funkstille. Kein Wunder, schließlich haben wir uns alle doch bis kurz vor dem 24. Dezember fast verausgabt mit guten Wünschen und Grüßen zum Fest der Feste. Jetzt, wo alles Liebe gesagt, geschrieben und gewünscht ist, darf auch mal Pause sein. Nennen wir es den Weihnachtsfrieden, der in unseren Postfächern und eigenen vier Wänden eingekehrt ist. Jetzt zwischen den Feiertagen ist die beste Zeit, die Füße hochzulegen, Weihnachtlieder zu singen oder zu hören, Lieblingsserien anzuschauen und bis zum Gehtnichtmehr von den Weihnachtsplätzchen, Mandarinen und Dominosteinen zu naschen. Mag das Postfach leer bleiben oder überquellen, jetzt gibt es wichtigere Dinge.

Mitten in der feierlichen Ruhe der Weihnachtstage hat ein wichtiger Brief dann doch den Weg in mein Mail-Postfach geschafft. Er ist nicht etwa ein paar Tage zu spät, sondern ganz termingerecht, denn es ist ein Brief, der mich aufmerksam macht auf den nächsten wichtigen Termin im Kalender, den Jahreswechsel.

"Ein Jahr ist wieder vergangen. Es gehört zu unserem Weg zur Ewigkeit, zu unserem Weg zum Himmel", so beginnt der Brief einer lieben Absenderin und macht mir direkt ein schlechtes Gewissen. Denn meistens bin ich mir gar nicht bewusst, dass ich auf Schritt und Tritt unterwegs bin in Richtung Ewigkeit und Himmel. Aufmerksam lese ich den Brief und die guten Wünsche und betrachte lange das Bild über dem Text: Es zeigt einen Weg, der sich bis an den Horizont erstreckt. Das Bild und die Metapher mit dem Weg lassen mich nicht los, zwischendrin muss ich immer wieder daran denken. Seltsam, da gehe und laufe ich täglich mehr als tausend Schritte oder mehr, meistens mit einem bestimmten Ziel, eine Aufgabe oder einen Termin vor Augen, und sei es nur die nächste S-Bahn. Jeder Schritt ist ein wichtiger Schritt meines Lebenswegs – wahrscheinlich weiß der Schrittzähler im Handy das viel besser als ich.

Mein ganzes Leben ist ein Weg auf ein ganz bestimmtes Ziel hin. Dumm nur, dass ich das gar nicht so genau im Blick habe. Mein eigenes Navigationssystem setzt allzu oft aus, leitet mich auf Umwege, die ich erst viel zu spät als solche bemerke oder führt mich komplett in die Irre, sodass ich niedergeschlagen und enttäuscht bin. Dann wieder auf den normalen Weg und in den vertrauten Tritt zurückzufinden, kostet unheimlich viel Anstrengung. Noch dazu ist man ja nicht allein unterwegs, was manchmal hilfreich, manchmal erschwerend dazukommt. Manche Jahre rasen wie im Flug vorbei, andere Tage ziehen sich endlos dahin und die Zeit will so rein gar nicht vergehen. Man hat das Gefühl, man bewegt sich nicht von der Stille und entwickelt sich nicht weiter. Trotzdem gehört beides zum Unterwegssein dazu. Unser Lebensweg ist nun mal keine Autobahn und nicht schnurgerade angelegt, auch ist er nicht immer so abwechslungsreich wie ein Fahrradweg am Fluss und nicht immer so rasant wie eine Rennstrecke. An vielen Tagen finden wir unseren Weg steinig, holprig, rutschig, steil und schwierig. Manchmal tanzen wir auf dem Weg, manchmal trotten wir mühsam dahin und ein anderes Mal fühlt es sich an wie ein Kreuzweg, auch wenn das natürlich eine absolute Übertreibung ist im Vergleich zum wirklichen Kreuzweg Jesu vor über 2000 Jahren in Jerusalem.

Zeiger einer Uhr stehen auf drei vor zwölf
Bild: ©Václav Mach/Fotolia.com (Symbolbild)

Neues Jahr – Zeit für Vorsätze?

Zum Thema gibt es einen echten Experten, er ist so etwas wie ein Langstreckenläufer. Dabei ist er gar kein Sportler, sondern Straßenkehrer von Beruf, ein Job, der viel Ausdauer und Geduld erfordert. Die meisten von uns kennen ihn schon seit Kindertagen. Er heißt Beppo, der Straßenkehrer, und ist der Freund von Momo, dem weisen Mädchen in Michael Endes gleichnamigem Roman. Als Momo eines Tages ziemlich traurig neben ihm auf den Treppen des Amphitheaters sitzt, gibt Beppo, der, Straßenkehrer, ihr diesen Rat für ihren Lebensweg mit:

Siehst du Momo, es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.

Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.

Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.            

(Beppo, der Straßenkehrer, aus: Michael Ende, Momo – Ein Roman)

Der Beginn eines neuen Jahres ist die beste Zeit für Vorsätze. Und weil mir das Thema Weg aus dem Brief zu Neujahr so gefällt, nehme ich vor, öfter daran zu denken, zwischen den großen und kleinen Schritten, und auch dann, wenn der Weg mir steinig, gefährlich oder unendlich lang erscheint. Das gehört nun einmal zu meinem, zu unserem ganz persönlichen Lebensweg in Richtung Himmel. Apropos Umwege und Irrwege – dazu gibt es in den ersten Tagen des neuen Jahres ein wunderbares Beispiel von den Hl. Drei Königen, deren Fest und Besuch an der Krippe wir am 6. Januar feiern:

"Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land." (Matthäus 2,12)

von Schwester Maria Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über  Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.

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