Mein Bild von Gott: Wie kann man ihn finden?
Jerusalem - Im Alten Testament heißt es, man soll sich kein Bild von Gott machen. Trotzdem gibt es nicht nur seit KI-Zeiten unzählige Abbildungen. Schwester Gabriela Zinkl fragt: Wie geht das zusammen? – und hat eine Idee für unser Bild von Gott.
Veröffentlicht am 15.01.2024 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ein Sunnyboy mit halblangem Haar, leicht gebräunt, mit oder ohne Dreitagebart – so oder so ähnlich sieht Jesus nach den Vorstellungen der gängigen KI-Bildprogramme aus. Mal steigt er im Che-Guevara-Style aus dem Flugzeug, macht ein Selfie mit seinen Jüngern und wird auf der Bühne wie ein Popstar bejubelt. Mal fährt er in Jeans und T-Shirt mit dem E-Scooter durch die Menge, später sitzt er nachdenklich, mit einer Hand ans Kinn gestützt, bei Sonnenuntergang am Seeufer. Die Möglichkeiten und Bearbeitungsfilter, mit denen wir uns ein ganz eigenes Bild von Jesus zusammenstellen können, sind heute so groß wie nie zuvor. Jeder und jede kann sich sein oder ihr Lieblingsbild von Jesus machen oder "generieren" lassen, sei es als Foto, Zeichnung oder Gemälde, á la Leonardo da Vinci oder nach Manga-Art – unseren Vorstellungen und Wünschen sind so gut wie keine Grenzen gesetzt.
Nicht erst, seit Computerprogramme und Drucker uns die Möglichkeit bieten, Bilder zu gestalten und auszudrucken, gibt es Unmengen an Jesus-Bildern und -Darstellungen. Seit Beginn des Christentums läuft die Bildproduktion zum Thema Jesus auf Hochtouren, lange Jahrhunderte malten Künstler sowieso nur Motive des Glaubens oder der Natur. Dabei heißt es doch im Alten Testament, man soll sich von Gott kein Bild machen. Wie geht das mit all den Jesus-Bildern, Ikonen, Kreuzen und Gottesdarstellungen in unseren Kirchen zusammen?
Gott in keine Vorstellung pressen
Die Stelle aus dem Alten Testament ist nicht irgendein Text, sondern gehört zum ersten der zehn Gebote:
"Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde." (Exodus 20,2-4)
Dort heißt es also, wir sollen uns kein Bild von Gott machen. Das ist richtig und nach wie vor gültig. Dahinter steht die Absicht, dass wir Gott nicht in unsere kleinen Vorstellungen pressen sollen, weil er letzten Endes nicht fassbar ist. Ganz konkret gibt Gott uns mit diesem ersten Gebot den Auftrag, nicht auf falsche Götter hereinzufallen. Zur damaligen Zeit des Alten Testaments war das nämlich gang und gäbe, die Menschen stellten sich Götterbilder und -statuen aus Holz, Stein und Metall auf, oder sie verehrten ihre Kaiser, Könige oder Pharaonen als Gottheiten. Sehr bekannt ist der sprichwörtliche Tanz um das "Goldene Kalb". Das geht darauf zurück, dass die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten (Ex 32,1-29) sich so ein Götzenbild fabrizierten und es verehrten. Heute versteht man unter diesem Sprichwort den Aberglauben, wenn für jemanden Reichtum und Macht an oberster Stelle stehen. Damit sind wir wieder bei den falschen Göttern. Denn daran will uns das Bilderverbot aus dem Alten Testament erinnern: Kein noch so schöner materieller Gegenstand unserer Welt kann Gott wirklich darstellen und göttliche Macht haben. Denn Gott ist der ganz anderen, jenseits unserer menschlichen Vorstellungskraft und doch durch seine Menschwerdung in Jesus Christus und durch die treibende Kraft des Heiligen Geistes uns ganz nahe. In letzter Konsequenz bedeutet das auch, Gott lässt sich nicht in unsere kleine Welt und unsere Vorstellungen einsperren oder verzwecken, auch nicht einen Tempel oder in eine Kirche.
Das Verbot, dass wir uns keine Gottes- oder Götterbilder machen oder aufstellen sollen, heißt aber nicht, dass wir über Gott nicht "in Bildern" sprechen dürfen. Es geht darum, nicht diese Gottesbilder anzuhimmeln, sondern auf seine Nähe in unserem Leben zu vertrauen. Manchmal spürt man das deutlicher, manchmal wartet man lange Zeit auf ein Zeichen Gottes. Auch die Bibel spricht im Alten und im Neuen Testament in zahlreichen Bildern über Gott: Er ist ein Fels, eine Burg, Licht für die Welt, verzehrendes Feuer, Mutter, Vater und vieles mehr. Die Bibel hilft uns dabei, in immer neuen Bildern von Gott zu denken und zu sprechen, so, wie wir Gott in unserem Leben erfahren. Wir können ihn also gar nicht auf ein bestimmtes Bild festlegen oder einfrieren. Daran haben wir manchmal aber ganz schön zu knabbern, denn wir hätten am liebsten einen Vorzeige-Gott, nicht nur zum Begreifen, sondern auch allezeit greifbar.
Wer ein bisschen in der Bibel nachliest, findet dort jede Menge positiver Gottesvorstellungen, also eine Art Gottesbilder. Die Bibel und die Menschen, die Zeugnis von Gott geben, sprechen über Gott als einen, der uns nahe ist, der für uns da ist. In den Erzählungen und Gebeten wird zum Ausdruck gebracht, dass Gott nicht ein abstraktes, theoretisches Konstrukt ist, sondern für jeden Menschen erfahrbar ist. Gott durchringt unser ganzes Leben, unsere ganze Welt. Wir müssen nur aufmerksam sein und genau hinsehen. Er zeigt sich uns im Licht und im Dunkel, in allem, was wächst und lebt, und in unseren Mitmenschen, auch wenn wir das nur allzu gerne übersehen und viel lieber nur uns selbst im Blick haben.
Damit stehen wir vor einem ganz anderen Problem: Wie kann man Gott finden in dieser Flut von Bildern und Darstellungen? Ganz einfach: sich auf eines oder einige wenige Bilder und Vorstellungen konzentrieren. Wer ist Gott für mich? Wer ist Jesus für mich? – Einer der für mich da ist. Was für ein starkes Bild!
Die Autorin
Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.
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