Warum du einen Dritten Ort brauchst
Bonn - Neben dem Zuhause und der Arbeit braucht der Mensch laut Ray Oldenburg einen Dritten Ort, den man besuchen kann, um Stress abzubauen. Die Kirchengemeinde ist dafür nahezu prädestiniert – auch wenn es Ausnahmen gibt.
Veröffentlicht am 16.12.2024 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Wohin gehst du, wenn du von der Arbeit kommst? Direkt nach Hause? Oder bist du sogar schon zu Hause, weil du im Homeoffice arbeitest? Der Soziologe Ray Oldenburg hält das nicht für gesund, zumindest, wenn man im Leben gar keinen weiteren Anlaufpunkt hat. Neben dem Arbeitsplatz und dem Zuhause braucht der Mensch zum Glücklichsein und Stressabbau laut ihm noch einen sogenannten Dritten Ort, an dem man nicht produktiv sein muss.
Dieser Ort sorgt für Ausgleich in stressigen Situationen und muss laut Oldenburg bestimmte Kriterien erfüllen: Zunächst ist es wichtig, dass die Menschen an den Ort kommen und auch wieder gehen können, wie es ihnen beliebt. Es gibt also nicht unbedingt oder zumindest nicht immer feste Termine oder Verabredungen und die Anreise darf nicht zu weit oder schwer sein. Außerdem muss der Ort für jeden zugänglich sein und es befördern, dass an ihm alle Menschen gleich sind. Der Beruf und die soziale Stellung spielen keine Rolle. Es sollte möglich sein, sich zu unterhalten; die Stimmung ist allgemein spielerisch. Wenn man den Ort betritt, trifft man direkt auf Stammgäste und fühlt sich wohl. Ob er besonders modern oder ansprechend gestaltet ist, ist eher nebensächlich. Alles in allem sollte man den Dritten Ort als eine Art zweite Heimat beschreiben können.
Die These vom Dritten Ort stammt zwar aus den 80er Jahren und kritisiert einen amerikanischen Städtebau, in dem kein Platz für solche Lokalitäten ist, die Idee vom Dritten Ort ist aber auch heute noch und hier in Deutschland relevant. Gerade während der Corona-Pandemie haben sich viele Menschen zurückgezogen. Digitale Räume sind laut Oldenburg kein Ersatz. Ein Grund ist, dass dort nicht unterschiedliche Menschen vorbehaltlos aufeinandertreffen, sondern nur solche, die sich beispielsweise alle für dasselbe Thema oder Spiel interessieren. Dritte Orte steigern auch das Gemeinschaftsgefühl in einer Nachbarschaft, was digitale Dritte Orte nicht können. Klassische Dritte Orte sind Biergärten, Kaffeehäuser oder Bibliotheken. Diese kosten aber oft Geld und sind darum nicht für jeden zugänglich. Oldenburg sagt darum oft dazu, dass Cafés erschwingliche Preise haben müssen, um Dritte Orte sein zu können. Als andere kostenlose oder kostengünstige Alternative nennt er die Kirche.
Kirchengemeinden erfüllen klassischerweise die Kriterien für Dritte Orte. Sogar dort, wo andere Dritte Orte knapp sind, zum Beispiel auf dem Dorf, gibt es meist eine Kirche. Hier trifft man Nachbarn und spricht über Themen fernab vom Beruf. Pfarrfeste und Veranstaltungen wie Kochabende bieten noch mehr Möglichkeit zur Kommunikation. Meist kosten die Angebote nichts oder nicht viel und auch ohne Kirchensteuer zu zahlen oder Mitglied zu sein, können Menschen dort zusammenkommen. Gerade auch für die, die potenziell von Einsamkeit bedroht sind, beispielsweise aufgrund von Einschränkungen oder aufgrund des Alters, gibt es in der Kirchengemeinde viele Chancen, Anschluss zu finden. Am Beginn des Lebens können Krabbelgruppen bis zu Jugendtreffs eine Heimat neben dem Zuhause bieten, vor allem auch, falls es dort mal Probleme oder Streit gibt. Manche Kirchen vermarkten sich bereits bewusst als Dritte Orte.
Natürlich gibt es Einschränkungen: Oft sind Kirchen aus Angst vor Diebstahl und Vandalismus nicht rund um die Uhr geöffnet. Ein Zugang ohne Termin ist damit eingeschränkt. Mancherorts steht man Neulingen in der Gemeinschaft auch skeptisch gegenüber, Zugezogene haben es schwerer. In der Kirche kann der soziale Status mitunter sogar betont werden, wenn in Gesprächen oder bei Angeboten beispielsweise dem Pfarrer eine besondere Bedeutung zugemessen wird.
Das ändert jedoch nichts an den Chancen, die eine Kirchengemeinde bieten kann. Es lohnt sich, zumindest einmal auszuprobieren, ob die eigene Gemeinde vor der Haustür ein passender Dritter Ort sein könnte. Schau also einfach mal auf deren Website vorbei, vielleicht findest du ja eine passende Veranstaltung, die du als Einstieg nutzen kannst. Oder gehe beim nächsten Spaziergang mal in die Kirche, vielleicht sind ja ein paar nette Menschen dort. Als Gemeinde wiederum zahlt es sich aus, sich aktiv hin zu einem attraktiven Dritten Ort zu gestalten und kostengünstige Angebote noch weiter auszubauen. Denn so erfüllen die Gemeinden einen wichtigen Auftrag des Christentums: die Hilfe von Menschen in Not. Auch Einsamkeit und Stress sind ernstzunehmende Notlagen. Als Dritter Ort können Kirchen einen wichtigen Beitrag zum Wohlbefinden aller leisten.
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