
Die Klausur im Kloster ist kein Gefängnis
Grafschaft - In der Schule finden wir Klausuren ganz schön anstrengend. Im Ordensleben ist die Klausur das genaue Gegenteil. Schwester Gabriela Zinkl gibt Einblick hinter verschlossene Klostertüren und erzählt, warum das Leben dahinter entschleunigen kann.
Veröffentlicht am 19.05.2025 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Dass man bei einer Klausur ganz schön ins Schwitzen kommen kann, wissen viele Schüler und Studenten nur zu gut. Im Kontext von Schule und Hochschule klingt das Wort Klausur ziemlich respekteinflößend: eine mehrstündige schriftliche Prüfung, vor der es kein Entrinnen gibt, wenn man den Schul- oder Uniabschluss erreichen will. Im Laufe von Schulzeit, Ausbildung und Studium sind eine Menge Klausuren zu absolvieren und bestehen, manche gewöhnen sich daran, andere nicht. Am Ende ist trotzdem jeder froh, wenn der Klausurstress vorbei ist.
Dagegen geht es bei einer Klausurtagung oder Klausursitzung deutlich entspannter zu, für die meisten jedenfalls. Denn wenn sich Politiker und Politikerinnen oder die Vorstände einer Firma oder eines Vereins für ein oder zwei Tage auf Zeit in Klausur zurückziehen, brüten sie nicht über schriftlichen Prüfungsaufgaben, sondern beraten gemeinsam über ein anstehendes Thema. Sie ziehen sich dafür bewusst an einen abgeschiedenen Ort zurück, um wirklich ungestört und in Ruhe zusammen überlegen zu können, vielleicht auch kreative Lösungen auf alte Fragen zu finden. Nicht von ungefähr hat das Wort Klausurtagung deshalb auch etwas Geheimnisvolles an sich.
Klausur im Kloster
Wenn man als Mönch, Nonne, Ordensbruder oder -schwester in einem Kloster wohnt, kommt man an der Klausur für den Rest seines Ordenslebens nicht vorbei. Denn im Kloster wohnt und lebt man "in Klausur", zurückgezogen vom Rest der Welt. In einer kontemplativen, monastischen Gemeinschaft spielt dieser Aspekt eine noch größere Rolle als in einer Ordensgemeinschaft, die direkt zu den Menschen geht und ihnen außerhalb des Klosters durch ihr apostolisches oder caritatives Wirken dienen möchte.
Kloster und Klausur gehören zusammen, räumlich und begrifflich. Jedes Kloster hat eine eigene Klausur, einen abgeschlossenen Bereich, zu dem nur die Bewohner des Klosters Zutritt haben. Die Begriffe Kloster und Klausur stammen aus dem Lateinischen und drehen sich um das Begriffsfeld Tür und Raum, weniger um Eingesperrtsein, sondern um Rückzug und Abgeschiedenheit von allem, das draußen ist, und einen ablenkt von der Suche nach dem Wesentlichen im Ordensleben, nach Gott. Das lateinische Claustra, aus dem man das deutsche Wort Kloster leicht herauslesen und hören kann, meint Sperre, Tür-Riegel oder Verschluss. Es bezeichnet einen abgeschlossenen Bereich, in den man sich zurückziehen kann und der von der Außenwelt getrennt ist.
Das Kloster ist kein Gefängnis.
Die Klausur im Kloster ist kein Gefängnis und auch kein Versteck. Man geht freiwillig ins Kloster, um sein Leben ganz in den Dienst Gottes zu stellen und nicht weil man eingesperrt wird, nachdem man etwas angestellt oder ausgefressen hat.
Die Klausur im Kloster ist der private Lebensraum der Gemeinschaft der Klosterbewohner. Während die Kirche oder Hauskapelle eines Klosters auch Besuchern offensteht, ist die Klausur allein den Klosterbrüdern und -schwestern vorbehalten. Die Klausur ist nicht ein einziger Raum, sondern ein größerer Bereich. Die Klausur kann eine oder mehrere Etagen und auf jeden Fall mehrere Räume umfassen, inklusive der Wohnräume bzw. Zellen der einzelnen Brüder und Schwestern. Auch das Refektorium (Speisesaal), der Kapitelssaal für Besprechungen der Gemeinschaft oder die Bibliothek können Teil der Klausur sein.

Der Speisesaal kann in einem Kloster zum Klausurbereich gehören.
In vielen Klöstern ist der Bereich der Klausur abgeschlossen und die Türen sind zugeschlossen, also nur für diejenigen zugänglich, die dafür einen Schlüssel haben. In alten Klostergebäuden findet man deshalb oft den kunstvoll gemalten oder geschriebenen Schriftzug "Klausur" über und an den Türen. Gerade die Klöster, die von vielen Touristen und Gästen besucht werden, wissen ein Lied davon zu singen, wie segensreich eine Klausur als privater Rückzugsbereich sein kann.
Die Klausur im Kloster gibt es aus einem guten Grund: damit man dort Gott im Leben und Arbeiten suchen kann. Wenn man Glück hat, findet Gott einen dort sogar. Im Trubel unserer vielen Aufgaben, To-Do-Listen, Anrufe und Gespräche kann das Ziel, für das man eigentlich im Kloster lebt, nämlich genauso einfach verloren gehen wie anderswo auch. Deshalb ist die Klausur als Rückzugsbereich und Bereich der Stille absolut hilfreich und wohltuend. Viele Gäste unserer Klöster wissen das zu schätzen.
Regeln
In der Klausur eines Klosters gibt es bestimmte Regeln: 1. Fremde haben keinen Zutritt, normalerweise auch keine Gäste und Besucher. 2. Es wird, soweit wie möglich oder zu bestimmten Zeiten, Stille gehalten, auch auf Treppen und in Fluren. Wenn viele Leute zusammenkommen, würde ansonsten ein großer Lärmpegel herrschen, der die kontemplative Atmosphäre stört. Natürlich gibt es Ausnahmen: Zum Beispiel können Handwerker, Ärzte oder Pflegepersonal die Klausur der Brüder und Schwestern betreten, wenn Bedarf besteht und sie gerufen werden. Es gibt auch Klöster, in denen Haustiere in der Klausur wohnen und liebevoll umsorgt werden.
Während also in der Schule Klausuren geschrieben werden und Politiker in Klausur gehen, pflegen wir Ordensleute im Kloster die Tradition der Klausur. Wir leben freiwillig, bewusst und gern in Klausur, etwas abgeschieden vom sonstigen Geschehen, zumindest für täglich festgelegte und von allen einzuhaltende Zeiten. Es ist oft sehr wohltuend, wieder heimzukommen ins Kloster, in die Klausur. Nicht nur, um die Tür zur Außenwelt hinter mir zu schließen, sondern um mir wieder mehr Zeit zu nehmen, nach Gott zu suchen. Wer das einmal herausgefunden hat, schätzt das Leben in der Klausur eines Klosters umso mehr.
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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