
Mit Gott auf Wolke sieben
Grafschaft - Egal ob dunkle, helle, kleine oder große: Schwester Gabriela Zinkl ist fasziniert von Wolken, denn sie sind viel mehr als nur vorbeiziehender Wasserdampf: Wenn wir uns darauf einlassen, können sie uns sogar etwas über Gott lehren.
Veröffentlicht am 11.08.2025 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ob der Laden hält, was er verspricht? "Wolke sieben" steht über dem Eingang des Bettenfachgeschäfts. Zumindest ist es ein Geschäftsname, der zum Träumen einlädt, denn davon gibt es viel zu wenige im oft sterilen Business-Sprech. Die ausgestellten Artikel in den Schaufenstern des Geschäfts zeigen, wo die Reise hingeht. Wovon man wohl träumt, wenn man auf einer Matratze namens "Schlaraffia" samt Kopfkissen "Paradies" schläft? Vielleicht vom siebten Himmel oder zumindest vom Herumfläzen auf Wolke sieben? Hoffentlich wohnen dann auf den Nachbarwolken Nummer sechs und acht friedliche Wesen, sonst ist selbst im Himmel vorbei mit dem himmlischen Frieden.
"Wolke sieben" klingt verheißungsvoll, diese kleine Wortkombination lässt bei mir sofort das Kopfkino starten und vor dem inneren Auge ziehen kuschelig weiche weißen Wolken mit allem Drumherum vorbei. Am Thema Wolken, den echten am Himmel, nicht den künstlichen im Bettengeschäft, scheiden sich die Geister. Es gibt Menschen, die nehmen Wolken und den Himmel so gut wie überhaupt nicht wahr, weil sie immer nur stur geradeaus oder nach unten schauen, ihre eigenen Projekte fest im Blick. Dass jede Wolke in ihrer Größe, Geschwindigkeit und Farbe individuell ist, entgeht ihnen völlig oder interessiert sie nicht, schließlich können sie die Wolken da oben ja auch nicht beeinflussen und steuern. Dann gibt es Leute, die sind von Wolken genervt, weil sie die heiß ersehnte Sonne verdecken, die Aussicht trüben und vielleicht oder wahrscheinlich schlechtes Wetter bringen. Und schließlich gibt es die kleine Community der Wolkengucker und -liebhaber, zu der Menschen wie ich gehören.
Wer es schon als Kind geliebt hat, im warmen Gras zu liegen und den Wolken am Himmel beim Vorbeiziehen zuzusehen, weiß, was ich meine. Den blauen Himmel betrachten, gegen die Sonnenstrahlen blinzeln und die Wolken verfolgen, wie sie so dahinschweben und mit jedem Millimeter ihre Form leicht verändern, das ist eine der schönsten Formen des Nichts- oder Fast-Nichtstuns.
Dabei sind diese Gebilde am Himmel doch nichts weiter als vorbeiziehender Wasserdampf, so wie der Dampf über dem Wasserkocher oder Kochtopf. Und doch kann dieses physikalische Phänomen faszinieren wie kaum etwas anderes. Millionen von Menschen starren jeden Abend in den Nachrichten oder auf ihrem Handy in den Wetterbericht, auch dort haben Wolken – für viele leider allzu häufig – einen festen Platz, zumindest in unseren Breiten.

Ein Licht scheint hell durch Wolken.
Wolken und Himmel berühren mich im Innersten, weil sie ein Gefühl von Ehrfurcht und Staunen auslösen. Der Himmel ist unendlich weit, geheimnisvoll groß und damit für unser Menschsein schwer zu begreifen. Das Betrachten und Staunen über die Wolken am Himmel macht uns gleichzeitig klein und demütig. Es verbindet uns mit etwas, das weit über uns hinausreicht, mit Gott und seiner Schöpfung. Ein kleiner Nebeneffekt: In diesen Augenblicken kreisen wir nicht um uns selbst, sondern denken an das große Ganze, was wir sonst viel zu selten tun. Wolken bringen uns auf Abstand zu uns selbst und führen uns in die Ferne, und sei es nur zum Träumen.
Wolken faszinieren und faszinierten schon die Menschen in der Bibel und in vielen Religionen der Welt. Schon im Alten Testament wird die Wolke zum Symbol für Gottes Gegenwart. Es gefiel Gott, seine Gegenwart gegenüber Israel in einer Wolke zu offenbaren. Die Wolkensäule leitete die Kinder Israel durch die Wüste." (Ex 40,34-38)
Gott ist da, verborgen und doch spürbar, wie ein Schatten im Sommer, wo man ihn dringend braucht. Andererseits ist die Wolke nie zum Festhalten gedacht – sie bleibt in Bewegung, dynamisch, nicht zu greifen. Ein ständiger Impuls, Gott nicht festzunageln, sondern dem Leben und Glauben Raum zu lassen, mit allen Wechselfällen, Regenschauern – und Sonnenaufgängen.
Ein Lieblingsmoment der Bibel ist der Regenbogen, den Gott "in die Wolken" setzt (Gen 9,13). Er ist das Zeichen des Bundes: Gott verspricht, bei uns zu sein, trotz Bruchstücken und Wetterwechseln in unserem eigenen Himmel. Im Neuen Testament ist es die Wolke, die Jesus bei seiner Himmelfahrt aufnimmt (Apg 1,9–11), die Gottesbegegnung verbirgt und zugleich eine himmlische Zusage gibt: Eure Sehnsucht, euer Leben – alles ist eingebettet in den Himmel, in Gottes Gegenwart. Und: "Danach werden wir [...] zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken, dem Herrn entgegen in die Luft. Und so werden wir beim Herrn sein allezeit." (1 Thess 4,17).
Unsere Bestimmung auf dem Weg zu Gottes Vollendung ist mehr als das Sichtbare – genau dafür steht die Wolke, der Himmel, die Sehnsucht, das Verborgene. Wolken können inspirieren, zum Träumen, zu Poesie, zu Musik. In England gibt es sogar einen Club der Wolkenfreunde, die sich leidenschaftlich gern über schöne Wolken austauschen. Und eigentlich ist jede Wolke ein Prachtstück, ja sogar ein Unikat. Die "Cloud Appreciation Society", Gesellschaft zur Wertschätzung der Wolke, ruft etwas in Erinnerung, das für uns als Christinnen und Christen von Bedeutung ist: Immer wieder offen bleiben für den Blick nach oben, sich von dunklen, trüben Zeit nicht verwirren lassen, im Vertrauen, dass Gott hinter jedem Wetter sein großes Ja in die Wolken und in den Himmel über uns malt. Auch wenn wir die Sonne vor lauter Wolken manchmal nicht sehen, sie ist doch immer da.
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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