
Apfelbäumchen – Ein kleines Wunder zum Erntedank
Grafschaft - Herbstzeit ist Erntezeit: Unter anderem gerät jetzt der Apfel in den Fokus, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Biblisch möge er einen schlechten Ruf haben – und doch schenkt uns selbst ein kleiner Apfelbaum Hoffnung und Zuversicht.
Veröffentlicht am 22.09.2025 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Neulich während einer Besprechung in kleiner Runde entdeckte ich draußen vor dem Fenster auf einmal einen Apfelbaum. Seltsam, vorher war er mir nie recht aufgefallen, der kleine junge Baum. Doch jetzt hingen an seinen wenigen dünnen Ästen eine ganze Menge kleiner Äpfel. So viele! Und bis zu diesem Augenblick hatte ich den kleinen Kerl vor dem Fenster gar nicht richtig wahrgenommen.
Eine Stunde später, als die Besprechung zu Ende war, ging ich nach draußen zu dem Baum, der ziemlich genau meine Größe hatte. Ich beugte mich vor und roch an einem Apfel. Im abendlichen Licht kam mir der ganze Apfelbaum wie ein Wunderwerk der Natur vor, mit seinen Farben, Früchten und mitten in der Natur. Was für ein Prachtkerl ist da herangewachsen! Wer dieses Bäumchen dort wohl gepflanzt hat?
"Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge,
würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
(Martin Luther)
Wie oft wurde dieses Zitat bemüht, in Krisen, bei Klimademos, bei Predigten, gerne immer dann, wenn alles zu kippen droht. Und doch haben die Martin Luther zugeschriebenen Worte etwas Tröstliches. Denn wer ein Apfelbäumchen pflanzt, glaubt an Morgen. So jemand glaubt daran, dass es Sinn macht, zu säen, zu hoffen, zu lieben – selbst dann, wenn alles dagegen spricht.
Frucht, die mehr ist als Obst
In diesen Tagen ist bei uns überall Erntezeit angesagt und damit auch Erntedank. Bis auf die Kartoffeln ist die Ernte von den meisten Feldern schon fast eingefahren. Jetzt sind gerade die Obstbäume und Weinberge dran und an den Landstraßen sind die Kürbisstände aufgebaut. Herbstzeit ist Erntezeit. In wenigen Tagen werden unsere Kirchen geschmückt sein mit Trauben, Kornähren, Gemüse aller Art und natürlich: Äpfeln.
Der Apfel ist biblisch gesehen ja ein etwas problematisches Obst – Stichwort: Sündenfall. Trotzdem hat es die vermeintliche Paradiesfrucht bis zum Lieblingsobst der Deutschen geschafft. Vielleicht liegt es daran, weil ein Apfel eben nicht nur für Versuchung steht, sondern auch für Segen. Für Reife. Für das, was entsteht, wenn etwas Zeit hatte zu wachsen.

Das Erntedankfest lädt uns ein, innezuhalten und einen Rückblick zu wagen.
Genau das meint Erntedank: Ein Innehalten, ein Rückblick auf das, was gewachsen ist. Auf das, was gereift ist – nicht nur im Garten oder auf dem Feld, sondern auch in uns.
- Haben wir in diesem Jahr etwas geerntet, das uns überrascht hat?
- Eine versöhnte Beziehung, wo wir längst aufgegeben hatten?
- Ein Wort, das wir ausgesprochen haben, obwohl es uns schwerfiel?
- Einen Schritt, den wir gegangen sind, heraus aus der Komfortzone, hinein in ein neues Vertrauen?
Dankbarkeit, die schmeckt
Erntedank ist keine Pflichtveranstaltung für Landwirte oder Hobbygärtner. Es ist ein Fest für alle, die noch staunen können. Für alle, die merken: Ich bekomme so viel geschenkt, jeden Tag. Die Luft zum Atmen ist ein Geschenk, genauso Menschen, die mich lieben. Zeit. Hoffnung. Sonnenschein, auch Regen und Schnee. Und manchmal ist ein Apfel ein Geschenk, wenn er so gut schmeckt, dass man fast an den Himmel glaubt.
"Schmecket und seht, wie gut der Herr ist!"
(Psalm 34,9)
Natürlich gibt es auch Jahre, in denen nicht alles gelingt. In denen der Apfelbaum keine Früchte trägt, sondern nur Blattläuse. Auch das gehört dazu. Erntedank ist kein Schönwetterfest. Es ist ein Trotzdem-Fest: Trotzdem danken. Trotzdem singen. Trotzdem vertrauen.
Was wir heute pflanzen
Wenn wir heute, vielleicht bei der aktuellen Baum-Challenge, ein Apfelbäumchen pflanzen, ist das noch relativ klein. Und doch kann es auf lange Sicht viel bewirken. So wie ein Lächeln, das wir jemand Unbekannten unterwegs schenken. Ein Gebet, das wir sprechen, obwohl uns die Worte fehlen. Eine Entscheidung für das Gute, auch wenn es unbequemer ist.
Wenn wir solche Bäume pflanzen, verändern wir die Welt. Das wird nicht immer gleich sichtbar und oft übersehen. Aber wer weiß, vielleicht wird aus unserem kleinen Apfelbäumchen eines Tages ein ganzer Garten. Einer, in dem Menschen auftanken können und wo sie sich im Schatten der Bäume ausruhen können. Ein Garten, in dem Gott mit uns spazieren geht – wie im Paradies.
Also dann: Frohen Erntedank! Und nicht vergessen – das nächste Apfelbäumchen wartet vielleicht schon darauf, gepflanzt zu werden.
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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