Katerstimmung bei vielen Frauen – aber ohne Party

Mental Load: Alltagsorganisation und Familienfürsorge raubt viel Kraft

Berlin - Alles gegeben und trotzdem wird die To-do-Liste nicht kürzer – das kennen vor allem Frauen, die oft die Hauptlast der Alltagsorganisation und Familienfürsorge, die Care-Arbeit tragen. Eine Expertin hilft aus der Erschöpfungsfalle.

Veröffentlicht am 21.10.2024 – 

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Eine Szene am Abendbrottisch: Die Mutter erzählt ihrem Mann, dass die Tochter zum Kindergeburtstag eingeladen ist. Der Mann antwortet: "Schön". Bei der Frau indes läuft schon ein innerer Film ab: Was können wir dem anderen Kind schenken? Was haben wir ihm im letzten Jahr geschenkt? Wann kaufe ich das Geschenk? Und: Haben wir noch Geschenkpapier? – Szenen wie diese kennt Laura Fröhlich zur Genüge. Die Autorin, selbst Mutter von drei Kindern, hat sich auf das Thema Mental Load spezialisiert, also Alltagsbelastungen durch Familien- und Hausarbeit.

In der Regel sind es ihrer Erfahrung nach Frauen, die sich im Familien-, aber auch Berufsalltag im Hintergrund darum kümmern, dass alles rund läuft. Vermeintliche Kleinigkeiten wie das Zurückbringen von ausgeliehenen Büchern, das Besorgen von Geschenken, das Vereinbaren von Terminen, Fahrdienste zum Training der Kinder, der gefüllte Kühlschrank – diese Alltagsorganisation laufe meist nebenbei, wenig wertgeschätzt und unbezahlt ab, oft neben der eigenen Berufstätigkeit.

"Alle verlassen sich auf mich"

"Ich fühle mich wie eine Alltagsmanagerin, alle verlassen sich auf mich" – eine Erfahrung, die viele Frauen kennen. Zur Organisation des Alltags und Erledigungen komme die oft kräftezehrende Fürsorgearbeit, das emotionale Dasein für Kinder und mitunter auch die älter werdenden Eltern. Das Problem: "Wer sich kümmert, muss viel im Blick haben und wird immer besser darin zu sehen, was alles getan werden muss", sagt die Autorin. Und bevor man andere um lange um Unterstützung bitte, beobachtet Fröhlich die Haltung: "Dann mach ich's eben schnell selbst". Das Loslassen und Abgeben falle immer schwerer.

Ein weiteres Problem: "Wer die To-do-Liste voll hat, macht alles gleichzeitig", sagt die Expertin. Multitasking und dauernde Unterbrechungen wirkten aber "wie eine durchzechte Nacht auf das Gehirn, wie ein Kater – nur ohne Party".

Bild: ©stock.adobe.com/s_karau (Symbolbild)

Wer dauerhoft unter Strom steht und an alles denken muss, verlernt oft, wie es geht, Pausen zu machen.

Aus dem Gefühl heraus, für alles zuständig zu sein, hätten Betroffene oft nicht mehr die Möglichkeit, auszuruhen oder Hobbys nachzugehen. "Fürsorgende sind total am Ende, weil sie für sich keinen Raum und Zeit mehr finden." Man verlerne regelrecht, Pausen zu machen und innezuhalten, ziehe sich immer mehr zurück. Die Folge sei ein "Erschöpfungskreislauf" zunehmender Belastungen, der schlimmstenfalls zu einer Erschöpfungsdepression führen kann.

Ein Grund seien traditionelle Rollenbilder. Noch immer werde gesellschaftlich Care-Arbeit mit Weiblichkeit verbunden: "Frauen, die sich kümmern, sind für uns ein normales Bild." Scham und Schuldgefühle, nicht zu genügen, hinderten Frauen daran, sich Entlastung zu suchen, die dringend geboten wäre. "Wir trauen uns nicht, weil wir denken, wir müssten alles alleine schaffen." Dies ist laut Fröhlich kein Phänomen der heutigen, schnelllebigen Zeit. Bereits in den 1950er Jahren habe man erschöpften Frauen "Frauengold" empfohlen – ein alkoholhaltiges Stärkungsmittel, das Kraft und neue Lebensfreude versprach.

"Was tue ich mir heute Gutes?"

Um Mitgefühl auch mit sich selbst zu gewinnen, empfiehlt Fröhlich, sich zu fragen: "Was leiste ich den ganzen Tag? Welche Aufgaben und Verpflichtungen habe ich? Welche 'Pakete' trage ich mit mir herum?" Zudem rät sie, sich morgens fünf Minuten Zeit für drei Fragen zu nehmen: "Wie geht es mir gerade? Was sind die wichtigsten drei Dinge, die heute zu erledigen sind? Und was tue ich mir heute Gutes?".

Fröhlich, die auch Seminare zu dem Thema gibt, hält es für "völlig normal, in unserer Gesellschaft überfordert zu sein". Umso wichtiger sei es, sich ohne schlechtes Gewissen ein Netzwerk aufzubauen und für Entlastung zu sorgen. Das fange in der eigenen Familie an. Ein Tipp der Autorin sind Klebezettel, auf der jede kleine Aufgabe notiert wird, die zu erledigen ist. Mit der ganzen Familie könne dann überlegt werden, wer sich um welche Erledigung kümmern kann. Fröhlich plädiert dafür, auch Kindern dabei Verantwortung zu übertragen – "sie wachsen daran".

Aber auch außerfamiliäre Erledigungen können hinterfragt werden – der Kuchen für das Kindergartenfest, das Besorgen des Geschenkes für den Kollegen, die Organisation des Straßenfestes. Hilfreich seien Sätze wie "Ich kann gerade nicht" oder "Mir fehlen gerade die Kapazitäten, auch wenn ich's gerne machen würde". Den könne man sich notfalls auf einem Zettel als Reminder in die Hosentasche stecken. "Lernen Sie, die Grenzen besser abzustecken – die Leute finden das meist gar nicht so tragisch." Im Gegenteil: Manche könne es inspirieren, wiederum selbst besser für sich zu sorgen.

von Angelika Prauß (KNA)

Buchtipp

Laura Fröhlich: Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles, Kösel-Verlag, München 2020, 192 Seiten, 16 Euro.

Tipps für den Umgang mit Alltagsbelastungen

Beruf, Haushalt, die Sorge um Kinder oder alte Eltern – Menschen sind heute in ihrem Alltag vielen Belastungen ausgesetzt. Vor allem Frauen, die viel Familienverantwortung tragen, raubt dies viel Energie. Mental-Load-Expertin und Buchautorin Laura Fröhlich hat Tipps für ein entspannteres Leben:

- sich selbst wertschätzen: Vieles an Alltagsorganisation, was Frauen den ganzen Tag leisten, wird für selbstverständlich genommen. Fröhlich rät, sich über die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen klarzuwerden. Dabei kann es hilfreich sein, sich zu fragen: Was leiste ich den ganzen Tag? Welche Verpflichtungen habe ich? Welche "Pakete" trage ich mit mir rum?

- Ablenkungen und Multitasking vermeiden: Frauen sollten sich überlegen, wo sie bei ihrer Arbeit zu Hause etwas abschließen können, ohne dauernd "umswitchen" zu müssen. Multitasking und dauernde Unterbrechungen wirkten "wie eine durchzechte Nacht auf das Gehirn, wie ein Kater – nur ohne Party", weiß die Expertin.

- klare Priorität: "Ich bin die wichtigste Person in meinem Leben – die anderen sind darauf angewiesen, dass es mir gut geht." Die eigenen Bedürfnisse nach Ruhepausen und Hobbys sollten beachtet und nicht hintangestellt werden.

- gute Morgenroutine: Fröhlich rät, sich jeden Morgen fünf Minuten Zeit zu nehmen, um folgende Fragen zu beantworten: "Wie geht es mir gerade? Was sind die wichtigsten drei Dinge, die heute zu erledigen sind? Was tue ich mir heute Gutes?" Dies könne ein erster Schritt zu mehr Selbstfürsorge sein. Auch eine "Tada-Liste" am Ende des Tages, die alles Erledigte feiert, kann helfen.

- Aufgaben verteilen: Die Mental-Load-Expertin rät, all die versteckten Erledigungen jeweils auf kleine Zettel zu schreiben und der eigenen Familie sichtbar zu machen. Im Anschluss kann überlegt werden, wer sich um welche Aufgabe kümmern kann.

- wöchentliches Familienmeeting: Nicht nur berufstätige Mütter haben Stress; auch Väter müssen sich im Job durch die Woche kämpfen, Kinder durch die Schulwoche. Bei einem wöchentlichen Familienritual können sich alle austauschen: Wie geht es uns, was überfordert und belastet uns? Welche wichtigen Termine stehen in den nächsten Tagen an? Was muss erledigt werden?

- Unterstützung von außen darf sein: "Manchmal ist einfach viel zu tun", sagt Fröhlich. Es ist aus ihrer Erfahrung keine Schande, andere um Hilfe zu bitten. Sie rät zu schauen: Wie ist mein Netzwerk? Wen kann ich noch dazubitten?

- kein People-Pleasing: Wer immer nur danach schaut, dass es anderen gut geht, droht selbst auf der Strecke zu bleiben. Menschen, die eher weitere Aufgaben und Verpflichtungen an einen herantragen, sollte eine Grenze aufgezeigt werden.