Wenn eine Krise nach der anderen kommt

Zuversicht – Wie finde ich sie in dieser Zeit?

Ingolstadt - Weltpolitisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich – überall kündigen sich Krisen an. Das macht uns ohnmächtig, schreibt Christoph Kreitmeir. Der Franziskanerpater begab sich deshalb auf die Suche nach Kraftquellen: Wie finden wir Zuversicht also?

Veröffentlicht am 02.12.2024 – 

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Mittlerweile hat es wohl jeder und jede gemerkt, dass die fetten Jahre vorüber sind und sich schwerere Zeiten überall ankündigen. Weltpolitisch, in unserer deutschen Gesellschaft, wirtschaftlich, gesundheitspolitisch und überhaupt. All das ist mit Negativenergie behaftet, die einen runterzieht, Kraft raubt und irgendwie ohnmächtig und hilflos macht. Man neigt dann zu Fatalismus und Rückzug, was nicht nur einen selbst, sondern auch das Gemeinwesen schwächt. Den negativen Strömungen wird dann auch kein Widerstand entgegengesetzt, was diese wiederum stärkt.

Deshalb machte ich mich vor gut einem Jahr daran, für mich selbst und auch für meine Aufgabe als Klinikseelsorger, nach einer Kraftquelle zu suchen, die mich aufbaut und Mut und Zuversicht gibt. Ohne Zuversicht zu leben heißt nämlich hilflos, ziellos und kraftlos zu leben. Für die Anforderungen unseres Alltages und in Konfrontation mit evtl. Schicksalsschlägen benötigen wir aber ein Reservoir von Energie. Leere Energiespeicher müssen gefüllt werden, schlaffe Muskeln gestärkt und trainiert werden. Genauso ist es mit der Zuversicht, einer Kraft, die in uns ist, geweckt und gestärkt werden will.

Zuversicht: Wieder in seit der Corona-Zeit

Das Wort "Zuversicht", das längere Zeit eingemottet war, das man aber spätestens seit der Corona-Zeit immer mehr hörte, hat wieder Hochkonjunktur. Der Tagesthemenmoderator Ingo Zamperoni entlies am Ende der Sendung die Zuschauer seit dieser Zeit bis heute mit dem kurzen und positiven Satz "Bleiben Sie zuversichtlich!". Zamperoni ist gläubiger Katholik, der seine Kirche für stark reformbedürftig hält, für den der Glaube aber die ultimative Form der Zuversicht ist.

Was aber ist Zuversicht genau?

Ich habe gesucht und recherchiert. Vor mir veröffentlichten zum Beispiel der Wissenschaftsjournalist bei der ZEIT, Ulrich Schnabel, die Salvatorianerin Melanie Wolfers oder die Journalistin bei ZEIT und Spiegel Gabriele von Arnim dieses Thema erhellende Bücher. Immer tiefer schürfte ich und fand wahre Schätze über Zuversicht, was sie ist, wie ich sie finde und stärke und wie sie mich durch's Leben trägt.

Bild: ©St. Benno Verlag, Canva, Montage: katholisch.de

In seinem Buch beschreibt der Franziskaner Christoph Kreitmeir, wie man Zuversicht findet.

Echte Zuversicht hat nichts mit Wunschdenken zu tun, welche das Leben sieht, wie es ideal sein sollte, Leid und Schmerz ausblendet und dann zur Selbsttäuschung führt. Zuversicht ist realistisch, wächst an Herausforderungen und blendet die Schwierigkeiten nicht aus. Zuversicht ist auch mehr als reiner Optimismus, der zum Schönfärben neigt. Zuversicht ist "realistischer Optimismus", der weiß, dass Probleme, Krisen und Rückschläge zum Leben dazugehören. Daran zu wachsen und diese zu integrieren ist zuversichtliches Vorgehen. Zuversicht ist auch viel mehr als rein positives Denken, das sich zu sehr an der Oberfläche aufhält. Positives Denken ist eine Motivationsmethode, die gelernt werden kann, die einem Glück, Erfolg, Happiness und ähnliches verspricht, ihre Versprechen meistens aber nicht hält. Zuversicht dagegen strebt nicht das kurze Glück, sondern die ausdauernde Zufriedenheit an.

Dies hat mit Resilienz, der seelischen Widerstandskraft zu tun. Die Resilienz ist auch eine in uns seiende Kraft, die entdeckt und geübt werden will. Dabei ist die Kraft der Resilienz ist kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sie ist individuell verschieden und durch die persönliche Lebens- und Lerngeschichte beeinflusst. Die jüngeren Generationen, haben keine großen Krisen erlebt. Sie sind vergleichsweise verwöhnt, mit geringer Frustrationstoleranz. "Ich will alles und zwar sofort, und ich habe ein Recht darauf", wurde in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr in unserem Land zur inneren Einstellung und äußeren Haltung. Doch das ist Unsinn. Durch so eine Haltung sind nicht mehr fähig, auf Krisen entsprechend geschmeidig zu antworten. Das müssen wir (wieder) neu lernen. Die Resilienz ist genau diese innere Widerstandskraft, die man trainieren kann. Wie einen Muskel. Wenn man einen Muskel erschlaffen lässt, kann er nichts mehr ausrichten. Wenn wir ihn trainieren, sind wir fit, um uns fort zu bewegen.

Zuversicht können wir lernen

Zuversicht ist kein Zauberwort, sie nutzt die Spielräume der Veränderung, die sie hat und glaubt an ein Morgen. Und das Gute ist: Zuversicht ist lernbar! So ist es eindeutig, das zuversichtliche Menschen mit Krankheiten besser umgehen können. Ich erlebe als Klinikseelsorger immer wieder Patienten und Patientinnen, die schwere Krankheiten, Rückschläge und lange Liegezeiten nicht bis in den Kern mürbe machten, sondern, was manchmal wirklich verwunderlich ist, stärker. Es gibt Untersuchungen darüber, dass Zuversicht auch eine erhöhte Heilungschance bei somatischen und psychischen Krankheiten in sich birgt, denn Zuversicht stärkt die Selbstheilungskräfte des Menschen. Ohne Zuversicht verliert der Mensch seine Kraft, Energie und seinen Sinn.

In den seelsorgerlichen Gesprächen bin ich dieser nicht selten versteckten Kraft in meinem Gegenüber auf der Spur und hebe sie manchmal ins Bewusstsein. Das mache ich meistens nicht direktiv, sondern indirekt, indem ich Hoffnung, Mut, Sinn und auch Glauben spüre und dadurch herauslocke. Meine Arbeit als Klinikseelsorger und als Geistlicher ist geprägt von diesen Grundeinstellungen, die ich selbst immer wieder einübe. Mein Gegenüber, das Pflegepersonal, die Ärzte und Ärztinnen und vor allem die Patienten und Patientinnen sowie die Angehörigen von Sterbenden spüren sofort, ob sie es mit einem "Dampfplauderer" oder jemandem zu tun haben, der die Kämpfe des Lebens selbst kennt und darin ein Kundiger ist.

Auf der Suche nach konkreten Zuversichtsverstärkern habe ich in meinem Zuversichtsbuch das japanische Lebensmodell "Ikigai" für ein sinnvolles und zuversichtliches Leben beschrieben. Um es schmackhaft zu machen, möchte ich hier nur die zehn Regel von Ikigai nennen: - Bleibe zeitlebens aktiv! – Bewahre die Ruhe! – Iss dich nicht satt! – Pflege Freundschaften! – Bleib in Bewegung! – Lächle mehr! – Pflege den Kontakt zur Natur! – Sei dankbar! – Lebe im Jetzt! und folge deinem persönlich und individuell entwickelten Ikigai!

Zuversicht einüben

Wenn ich drei Tipps geben sollte, um Zuversicht mehr einzuüben, dann würde ich folgende geben:

  • Machen Sie "Informations-Detox". Die vielen negativen Nachrichten haben Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln. Verweigern Sie nicht die Auseinandersetzung mit der Welt, wie sie nun halt ist, aber reduzieren Sie für sich die allgegenwärtige Informationsflut. Dann bleiben Sie nämlich handlungsfähig und in Ihrem Denken halbwegs eigenständig und selbst entscheidend.
  • Engagieren Sie sich positiv in Ihrem Umfeld, im Kleinen, in der Nachbarschaft, Stadtteil oder Ehrenamt. Dies ist nicht nur sinnvoll und sinnstiftend, es baut Positives gegen Negatives, hilft anderen weiter und schenkt einem gute Gefühle. Wer anderen etwas Gutes tut, auf den kommt Positives zurück. Der Sinn- und Zuversichtsmuskel wird trainiert und schenkt einem eigene innere Kraft.
  • Suchen Sie Ruhe und Stille, öffnen Sie sich für Spirituelles, pflegen Sie Kontakt zur geistigen und geistlichen Dimension, zu GOTT. Wer lernt, mit "Ihm" zusammen zu gehen, wird erfahren, dass er in vielen Phasen des Lebens von "Ihm" getragen und gehalten wird.

Zuversicht lebt von Erfahrung, Training, einer Ausrichtung über sich hinaus (Selbsttranzendenz), einem sozialen Eingebundensein und einem nicht nur Auf-sich-selbst-bezogen-sein. Der Unterschied zwischen Optimismus, positivem Denken und lebenserfahrenem Glauben an Gott liegt z. B. darin: Letzteres kommt von oben und innen, ersteres primär aus sich selbst, aus dem eigenen Denken. Gottesglaube ist für mich zu einem ganz großen Teil der Glauben an Jesus Christus. Wenn ich eine persönliche Beziehung zu ihm entwickelt habe, mein Leben – die Höhen und Tiefen – wie mit einem sehr guten Freund teile, dann wird alles leichter. Das Vertrauen auf den Hl. Geist, der alles in ein anderes Licht rücken kann, gehört auch zu so einem gelebten Glauben. Du kannst schwer krank sein, Schmerzen haben und wirklich leiden, wenn du aber einen Halt in Gott hast, dann kann dich das über alles hinweg tragen. Ich kenne jemanden, der gesagt hat: "Im Leiden habe ich Gott lieben gelernt". Die Kraft, Hoffnung und Zuversicht, die aus einem Gottesglauben kommt, hat eine ganz andere Qualität als nur die rein menschliche Stärke, Hoffnung und Zuversicht. Sie geht tiefer, weiter und hat die Fähigkeit, sogar in der Todeszelle ein Gedicht/Gebet "Von guten Mächten wunderbar geborgen" zu ersinnen (Dietrich Bonhoeffer), das unzähligen Menschen schon zum stärkenden Trost wurde.

Ein sehr hilfreiches Gebet für mehr Zuversicht und Gottvertrauen, das mir selbst zu einem hilfreichen Begleiter geworden ist, ist das Lieblingsgebet des seligen Pater Rupert Mayer SJ, das ich in einer schweren Zeit auswendig gelernt habe:

"Herr, wie Du willst, soll mir gescheh`n
und wie Du willst, will ich geh`n;
hilf Deinen Willen nur versteh`n!

Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit;
und wann Du willst, bin ich bereit,
heut und in Ewigkeit.

Herr, was Du willst, das nehm` ich hin
und was Du willst, ist mir Gewinn;
Genug, dass ich Dein eigen bin.

Herr, weil Du`s willst, drum ist es gut;
und weil du`s willst, drum hab` ich Mut.
Mein Herz in Deinen Händen ruht!"

von Christoph Kreitmeir

Der Autor

Der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir arbeitet in der Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt, in der Erwachsenenbildung und bei Lebenshilfesendungen im Radio Horeb.

Buchtipp

Christoph Kreitmeir: "Zuversicht in schwerer Zeit. Wie ich sie finde und wie sie mich trägt", St. Benno Verlag, Leipzig 2024, 144 Seiten, 16,95 Euro.

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