Was "O Tannenbaum", "Last Christmas" und "Stille Nacht" gemeinsam haben

Warum uns Weihnachtslieder glücklich machen

Grafschaft - Ob "Last Christmas", "Tochter Zion" oder "Stille Nacht": Advents- und Weihnachtslieder sorgen bei den meisten dafür, dass es warm ums Herz wird. Aber warum eigentlich? Schwester Gabriela Zinkl geht dem auf den Grund – mithilfe der Musikpsychologie.

Veröffentlicht am 09.12.2024 – 

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Was haben "Maria durch ein Dornwald ging", "Last Christmas" und "Stille Nacht" gemeinsam? Sie sind typische Advents- und Weihnachtslieder. Spätestens ab Dezember werden sie im Radio, auf Playlists oder bei Weihnachtskonzerten und Gottesdiensten rauf und runter gedudelt. Sie lösen bei fast jedem dieses typische Weihnachtsgefühl aus, bei dem einem selbst in Eiseskälte warm ums Herz wird und das man mit Worten nicht wirklich beschreiben kann.

Doch wie kommt es, dass uns "O Tannenbaum", "Tochter Zion", "Leise rieselt der Schnee" und viele andere für die Advents- und Weihnachtszeit typischen Lieder, egal ob klassisch oder modern, glücklich machen? Gibt es einen bestimmten Dreiklang oder Rhythmus, der uns jeden Dezember wieder verzaubert? Die Musikpsychologie untersucht genau dieses Phänomen und weiß, warum Weihnachtsmusik eine so starke emotionale Wirkung auf uns hat.

1. Die Macht der Nostalgie

Der wohl wichtigste Grund, warum Advents- und Weihnachtsmusik so viele positive Emotionen in uns auslöst, liegt in der Nostalgie. Die meisten Weihnachtslieder begleiten uns seit Kindheitstagen, von "Lustig, lustig, tralalalala" für den Nikolaus bis zu "Süßer die Glocken nie klingen". Ihr Text und ihre Melodie erinnern uns an die wunderbaren Momente und die Atmosphäre, in denen wir die Lieder als Kind gelernt und gesungen haben, zusammen mit unseren Freunden in Kindergarten, Schule, Pfarrgemeinde und mit Eltern und Verwandten in der Familie, am Adventskranz, beim Krippenspiel oder unter dem Weihnachtsbaum. In der Psychologie spricht man vom sogenannten "Weihnachtseffekt". Wenn wir die bekannten Lieder wieder hören, aktiviert unser Gehirn die Freisetzung von Dopamin, einem Neurotransmitter, der für Glücksgefühle sorgt. Studien zeigen, dass das Hören, Fühlen, Mitsummen und Mitsingen vertrauter Musik Emotionen und Erinnerung viel intensiver hervorrufen kann als andere Sinne. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil wir nicht dauernd mit dieser Musik beschallt sind, sondern nur rund um Weihnachten, "Alle Jahre wieder …".

2. Die Wirkung der festlichen Harmonien

Ein weiteres Geheimnis vieler Weihnachtsmelodien, egal ob klassisch oder modern, liegt in der speziellen Harmonie und Melodieführung. Viele dieser Lieder verwenden bestimmte Harmonien, die als wohlklingend empfunden werden. Die Dur-Akkorde und vertrauten sanften Akkordfolgen erzeugen Gefühle von Vertrautheit, Geborgenheit und Stabilität. Wir fühlen uns wohl, wenn wir die Melodien hören, wippen im Takt mit, summen mit oder singen sie – die meisten im Auto – lauthals mit. Noch dazu hebt das zarte mittlere bis schnelle Tempo, nicht zu langsam und nicht zu schnell, unsere Stimmung. Ein fröhlicher Rhythmus, wie etwa bei "Jingle Bells", steigert unsere Herzfrequenz und versetzt den Körper in Bewegung. Die Musik geht übers Ohr ins Gehirn und bringt uns zum Tanzen, und wenn es nur die Finger auf dem Lenkrad oder dem Tisch sind.

Bild: ©stock.adobe.com/schulzfoto (Symbolbild)

Das kleine Kind in der Krippe: Es ist auch die frohe Botschaft von Weihnachten, die sich positiv auf die Weihnachtslieder auswirkt.

3. Der Gemeinschaftseffekt

Advents- und noch mehr Weihnachtsmusik klingt zwar auch im stillen Kämmerlein schön, die meisten Lieder laden aber zum gemeinsamen Singen und Zuhören ein. Das ist die besondere soziale Komponente der Weihnachtslieder. Das gemeinsame Erleben der Musik aktiviert bestimmte Gehirnregionen, die für soziale Bindungen verantwortlich sind. Auch die neueren Weihnachtslieder im Radio sind alle auf Gemeinschaft angelegt, auch wenn sie schon ein paar Jahre alt sind. Auf den Musikvideos von "Last Christmas" oder "Do they know it's Christmas time" lässt sich das sehr gut erkennen. Noch mehr als das Zuhören und Zuschauen sorgt gemeinsames Singen und Musizieren für die Ausschüttung von Oxytocin, dem "Bindungshormon", das positive Gefühle verstärkt und Stress reduziert. Auch wenn wir darüber lachen, aber selbst das schiefe Flöten- oder Geigenspiel unter dem Weihnachtsbaum kann starke Glücksgefühle auslösen, sei es durchs Lachen oder Hören. Und Lieder wie "Tochter Zion" oder "Stille Nacht" klingen einfach am schönsten im großen Chor, mit dem Bläserensemble auf dem Rathausbalkon beim Weihnachtsmarkt oder mit dem Kirchenchor am Schluss der Christmette, wenn nur die Lichter der Weihnachtsbäume an der Krippe leuchten. Auch daran sieht man schön: Live miteinander zu musizieren, zu singen und zuzuhören, ist unersetzlich und nicht zu toppen.

4. Die Texte und ihre Botschaft

Alle Advents- und Weihnachtslieder enden mit einer frohen Botschaft: Ins Dunkel kommt Licht, in der Nacht strahlt ein Stern auf, in der Kälte wird es warm – und alles nur durch das kleine Kind in der Krippe. Weihnachten und seine Lieder handeln von Liebe, Frieden und Freude, die wir miteinander teilen sollen. Am Ende wird alles hell und gut, das ist die besondere Botschaft von Weihnachten, die unsere Gefühlswelt im Dezember und zu Jahresende stärker trifft als im Juli oder August. Wenn unser Gehirn positive Botschaften empfängt, erzeugt es emotionale Resonanz, das beginnt bei unseren Muskeln und Nerven, zum Beispiel im Gesicht. Wir werden locker und entspannt, nur durch den Klang der Musik, auch wenn Glühwein und Plätzchen das Wohlgefühl in uns noch verstärken können.

In der Advents- und Weihnachtszeit kommt der Aspekt der Hoffnung ganz deutlich zur Sprache und zu Gehör. So wie die Propheten des Alten Testaments und die Menschen zur Jesu sehnen wir uns heute nach Frieden und Geborgenheit, im Kleinen, bei uns zuhause und in der ganzen Welt. Wir Menschen brauchen Hoffnung. Weihnachten, das Fest der Menschwerdung Gottes, hat uns diese Hoffnung geschenkt. Deshalb ist Weihnachten nicht nur als Erinnerung an den Geburtstag Jesu ein schönes Fest. Wenn wir die Weihnachtslieder singen, lassen wir die Botschaft auch für heute klingen.

von Schwester Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.

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