Video-Posts aus dem Klinikzimmer

Wie eine Krebspatientin andere Betroffene unterstützt

Tübingen - Früher unterstützte Linda Maschke krebskranke Kinder bei Therapien. Seit August ist die 24-jährige Medizinstudentin selbst Patientin. Sie versucht weiterhin, anderen Mut zuzusprechen – auch auf Instagram.

Veröffentlicht am 27.01.2025 – 

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Linda Maschke befasst sich seit dem Abitur durchgängig mit Krebs: Sie forscht dazu und unterstützt betroffene Kinder. Doch seit einem halben Jahr ist die 24-Jährige selbst Patientin. Im August vergangenen Jahres bekam die sie die Diagnose: Non-Hodgkin-Lymphom, ein bösartiger Tumor mit einer Überlebenschance zwischen 60 und 70 Prozent. Einige Wochen später eröffnete sie einen Instagram-Account. Mehr als 2.000 Menschen verfolgen seither ihren Weg: eine Tour durch ihr neues Klinik-Zuhause, Termine in der Tagesklinik, familiäres Plätzchenbacken mit FFP2-Maske und Tipps für andere Betroffene.

Maschke möchte mit ihrem Account Mut machen – und mit ihrem Fachwissen aus dem Medizinstudium aufklären. Auf ihre Posts bekommt sie hunderte Reaktionen, von Genesungswünschen bis hin zu neuen Tipps. Mit rund sechs Patienten schreibt sie regelmäßig, zwei davon trifft sie seither hin und wieder in der Tagesklinik.

Die schlimmste Erfahrung des Lebens

Von den ersten Symptomen zur Diagnose dauerte es ganze zwei Monate, wie Maschke berichtet. Zuerst sei ihr beim Geruch von fettigem Essen übel geworden. Dann kamen Rückenschmerzen hinzu, die sie nachts kaum schlafen ließen. Arztbesuche brachten keine Erkenntnis, auch die Blutwerte waren unauffällig. Erst eine Computertomographie im Unterbauch offenbarte die Ursache: ein Tumor im Becken, 15 mal 7 mal 5 Zentimeter groß. Metastasen im fortgeschrittenen Stadium.

Das Warten auf die Diagnose sei die schlimmste Erfahrung ihres Lebens gewesen, sagt Maschke: "Es hat sich angefühlt wie ein ganz langer Alptraum, der über eine Woche ging." Je nach Diagnose wäre auch eine Überlebenschance von zwei Prozent denkbar gewesen. Das wusste sie aus dem Studium. Doch ihrer Familie erzählt sie nichts von dem möglichen Schreckgespenst.

Zehn Tage warteten sie. In der Zeit beteten Menschen aus ihrem Umfeld für sie – da sei ihr erst aufgefallen, wie viele von ihnen religiös sind, sagt sie rückblickend. Als die Diagnose kam, war die Erleichterung groß: 60 bis 70 Prozent Überlebenschance. Sie dankte Gott und ist sich bis heute gewiss: "Es wird Höhen und Tiefen geben, aber am Ende wird irgendwie alles gut werden."

Bild: ©KNA/Madita Steiner

Nach ihrer Krebs-Diagnose fiel ihr erst auf, wie viele Menschen in ihrem Umfeld religiös seien, sagt Linda Maschke.

Ein Tag nach der Diagnose startete die Therapie: zuerst Cortison, wenige Tage später die erste Chemotherapie. Insgesamt gehören zu dem Jahr Therapie acht stationäre Aufenthalte, die meisten für vier Wochen. Dann bekommt Maschke Chemoinfusionen und -tabletten, vorbeugende Bestrahlungen im Gehirn und Antikörpertherapien. Dazwischen geht sie regelmäßig in die Tagesklinik.

Wie an diesem Tag: Es geht in den zweiten Stock der Tübinger Klinik. Seitlich trägt sie eine schwarze Tasche, mit der sie jeden Tag durch einen Schlauch verbunden ist. Durch ihn fließen die Antikörper in Maschkes Blut. Bei diesem Termin wird der Vorrat aufgefüllt.

Nach ihrem ersten stationären Aufenthalt hatte sie nach eigenen Worten keine Energie, die Treppenstufen zu gehen. In den 72 Tagen nahm sie über zehn Kilo ab. Von den Therapien fühlt sie sich oft kraftlos und schläft phasenweise 16 Stunden am Tag. Wenige Schritte entfernt von ihrer neuen zweiten Heimat liegt ihr Vorlesungsraum der Universität.

Medizinstudenten begleiten kranke Kinder

Nicht nur durch das Medizinstudium war Maschke zuvor schon mit der Erkrankung vertraut. Nach dem Abitur machte sie einen Bundesfreiwilligendienst auf einer Station für Stammzelltransplantation. Vor zwei Jahren initiierte sie gemeinsam mit einem Freund ein Medi-Patenkind-Projekt an der Kinderonkologie, um Betroffenen neben den vielen Behandlungen auch unbeschwerte Stunden zu ermöglichen. Aktuell promoviert sie im Bereich der seltenen Tumorerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.

Das studentisch organisierte Patenkind-Projekt gebe es deutschlandweit bisher nur in der Tübinger Klinik, sagt sie. Jeweils ein Medizinstudent begleitet ein Kind, das an Krebs erkrankt ist. Vor allem für Jugendliche sei es eine Erleichterung, einmal die Woche eine Person in ähnlichem Alter um sich zu haben. In Tübingen gebe es über 100 Medizinstudenten, die gerne eine Patenschaft übernehmen würden, 25 sind schon aktiv. Gerade versucht das Team, das Projekt deutschlandweit ausweiten.

Hoffnung auf einen Sommerurlaub

Maschke ist froh, dass sie durch ihre Vorerfahrung wusste, was auf sie zukommt. Sie verstehe dadurch den Therapieplan, die Medikamente und die Kommentare der Ärzte besser, weiß, worauf sie bei der Ernährung achten muss, ist durch die Erfolgsgeschichten anderer zuversichtlich und wird von ihren bekannten Kollegen der Kinderonkologie unterstützt. Aber durch ihr Wissen über mögliche Nebenwirkungen und das Bewusstsein für das erhöhte Risiko einer zweiten Krebserkrankung mache sie sich manchmal mehr Sorgen, sagt sie.

Nach der Genesung darf sie wieder Kontakt zu den Kindern des Projekts haben. Dann hat sie nicht nur das fachliche Wissen, sondern kann dem Kind aus eigener Erfahrung zusprechen: "Hey, das tut jetzt nur kurz weh."

Ihre Therapie geht bis Mitte August. Dann möchte sie einen gebrauchten Van ausbauen. Mit ihrem Freund in Südamerika zu reisen, geht vorerst nicht. Doch gedanklich beobachtet Maschke jetzt schon manchmal den Sonnenuntergang – an einem Klapptisch vor dem Van, in Portugal oder Albanien.

von Madita Steiner (KNA)

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