Hürden auf dem Weg zum süßen Nichtstun

Einfach mal abhängen – Ein Loblied

Grafschaft - Süßes Nichtstun: Nichts symbolisiert Abschalten und Abhängen so gut wie eine Hängematte, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Auch wenn es erst einmal Hürden gibt – sie kennt ein "Loblied auf das Abhängen".

Veröffentlicht am 26.08.2024 – 

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Ihr Name ist Programm: La Siesta, Chill happy, Amazonas, Barbados. Wenn man in einer dieser Hängematten liegt, kann man gar nicht anders als sich zu entspannen. Auch wenn "Abhängen" bei manchen einen schlechten Ruf hat, eine Hängematte ist der Inbegriff für Entspannung und Auszeit, etwas, wonach sich jeder sehnt und jeder Mensch zum Leben und Überleben braucht. Kann man sich einen schöneren Ort vorstellen, um die Seele baumeln zu lassen, als eine Hängematte?

Doch auf dem Weg zum genussvollen Nichtstun in der eigenen Hängematte gibt es einige Hürden zu überwinden, zum Beispiel die komplizierte Sache des Befestigens. Wer hat schon eine Wohnung, deren Wände, Balkon oder Terrasse stabil genug sind, um robuste Haken zu befestigen, damit die Hängematte mal locker das Körpergewicht von ein bis zwei Personen aushält, ohne dass der Putz von der Wand bröckelt? Richtig, man könnte stattdessen auch eines dieser klobigen Gestelle verwenden, aber mal ehrlich: Sehen sie nicht scheußlich aus, brauchen unendlich viel Platz und machen das entspannte Hängematten-Chilling zunichte? – Echtes Abhängen geht anders.

Urlaubsfeeling und Paradies

Der Traum von einer Hängematte ist irgendwie immer mit einer Prise Urlaubsfeeling verbunden, sei es der Ruheplatz zwischen zwei schattigen Palmen mit Blick aufs Meer oder die Variante aus Omas altem Obstgarten, aufgespannt zwischen zwei Bäumen. Hängematte – das klingt absolut nach Paradies, als ob dort schon Adam und Eva Mußestunden verbracht haben. Eine Hängematte ist ein Phänomen und zugleich eine Verheißung. Im normalen Möbelhaus sucht man sie vergeblich, obwohl sie durch ihre Kompaktheit die Bezeichnung "Möbel", von lateinisch "mobilis", beweglich, mehr verdient als jeder schwere Schrank und jedes kantige Bett. Eine Hängematte ist noch dazu praktisch: Die mobile Alternative zum Bett oder Sofa lässt sich konkurrenzlos schnell aufräumen, braucht nicht viel Platz und steht nicht unverrückbar in der Gegend herum.

Die Hängematte als optimaler Ruhe- und Schlafplatz kommt ursprünglich aus Lateinamerika. 1492 notierte der Seefahrer und Entdecker Christoph Kolumbus in sein Tagebuch, nachdem er auf dem neuen Kontinent die Schlafschaukeln entdeckt hatte: "Die Betten und Decken, auf denen junge Leute schliefen, sind eine Art Wollnetze". Da war die "hamac", die hängende Schlafmatte aus dem Material des Hamak-Baums, dort schon Jahrhunderte lang im Einsatz. Durch ihre erhöhte Aufhängung bot sie Schutz vor gefährlichen Tieren und Feuchtigkeit. Schnell machte dieser platzsparende wie schlichte Einrichtungsgegenstand eine steile Karriere, zu Beispiel als Schlafgelegenheit auf Schiffen. Selbst bei rauer See fällt der Matrose nicht aus der Matte, weil sich das Schaukeln des Schiffes auf die Hängematte sanft überträgt.

Ein gekreuzigter Christus hängt an einem Kruzifix in der Jesuitenkirche Il Gesu in Rom.
Bild: ©katholisch.de

Die Hängematte: das Symbol, die Seele baumens zu lassen.

In der Hängematte liegen, sanft hin und her schaukeln, den Spatzen beim Zwitschern zuhören, Schwalben hoch am Himmel bei ihrem eleganten Flug beobachten, den Wolken beim Vorüberziehen zusehen. Allein schon der Gedanke daran sorgt für ein richtig schönes Gefühl. Und das zu Recht, denn das sanfte Schwingen, das Vorbeiziehen-Lassen der Gedanken, das Baumeln-Lassen der Seele garantieren ultimative Entspannung. Nicht umsonst kommt hier das Wort "lassen" vor, denn Entspannung hat eine Menge mit Los-Lassen zu tun. Allein schon der Anblick einer Hängematte symbolisiert unaufdringlich: Nimm´s leicht , nimm dich leicht! Von diesem Gedanken hat sich der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler (* 1965) inspirieren lassen für sein "Loblied auf das Abhängen":

Wenn mir alles zu viel wird,
die überhitzten Erwartungen und News,
dann lege ich mich in deine Hängematte
und schau einfach zu – was Du tust.

Wenn mir alles zu laut wird,
die Empörungen, der Lärm, das Geschrei,
dann lege ich mich in deine Hängematte
und hör einfach zu – was Du sagst.

Wenn mir alles zu schwer wird,
die Sorgen, das Kämpfen, das Starksein,
dann lege ich mich in deine Hängematte
und staune, wie leicht es mir fällt – mit Dir.

Wenn mir alles zu blöd wird,
das Gezänk, der Streit, das dumme Gerede,
dann lege ich mich in deine Hängematte
und lass mich überraschen – von Dir.

Besser öfter durchhängen bei Dir – mein Gott,
auch wenn längst nicht alles okay ist.

Hermann Glettler, Bischof von Innsbruck (in: hörgott, Tyrolia Verlag, 2023)

von Schwester Gabriela Zinkl

Die Autorin

Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.

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