Mit der Zeit gehen: Wie im Kloster gebetet wird
Grafschaft - Prim, Terz, Non, Hore, Laudes, Vesper und Komplet: Das Leben im Kloster läuft genau nach der Uhr. Wie genau? Das erklärt Schwester Gabriela Zinkl in diesem Text – und hat auch einen Tipp, wie man die Zeit am besten nutzen sollte.
Veröffentlicht am 02.09.2024 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Kaum zu glauben, aber wahr: Das Leben im Kloster läuft nicht ohne Uhr. Es läuft sogar ganz genau nach der Uhr, denn die einzelnen Gebetszeiten in jeder Gemeinschaft von Mönchen, Brüdern, Nonnen und Ordensschwestern sind genau getaktet,
Zeit und Uhrzeit spielen im Klosterleben eine wichtige Rolle. Man könnte sagen, dort dreht sich alles um Gott – und um die Zeit. Das fängt schon damit an, dass der Tag und die Nacht nicht einfach nur nach Stunden eingeteilt sind, sondern diese Stunden bestimmte Zeiten für das Gebet vorgeben. Das muss jede Gemeinschaft nicht neu für sich erfinden, sondern dafür hat sich in der Tradition der Klöster ein fester Tagesablauf eingeprägt.
Mehr Zeit hat man im Kloster nicht
Zeit ist Geld? Es ist nicht so, dass man im Kloster mehr Zeit zur Verfügung hat als andere Menschen. Man geht auch nicht unbedingt anders mit der Zeit um. Die Zeit läuft im Kloster auch nicht langsamer oder gemütlicher dahin. Man orientiert sich nur deutlich an der Zeit und am Lauf der Sonne und nimmt das als Zeichen für Gottes Gegenwart wahr. Das sagt schon viel.
Ursprünglich wurde in Klöstern die Arbeit alle drei Stunden vom Gebet unterbrochen, daher auch der Name "Stundengebet". Das Gebet gab und gibt dem Tag, der Nacht, dem Ausruhen und dem Arbeiten eine feste Struktur. Alles sollte zum Lob und zur Ehre Gottes geschehen. Und weil das auch der frömmste Beter und die bravste Schwester immer wieder mal vergisst, werden er und sie durch die regelmäßigen Gebetszeiten daran erinnert. Zur ersten Stunde bei Sonnenaufgang gibt es das Gebet der Prim (von lateinisch "primus", der Erste), gegen 9 Uhr betet man die Terz (lateinisch "tertia", zur "dritten" Stunde nach Sonnenaufgang) und nachmittags gegen 15 Uhr die Non (9 Stunden nach Sonnenaufgang). Neben diesen kleinen, da kurzen, Gebetszeiten, die in vielenGemeinschaften zu einer (kleinen) "Hore" (von lateinisch "hora", Stunde) zusammengefasst sind, strukturieren die längeren (großen) Gebete den Tag einer Ordensgemeinschaft bis heute. Die Laudes ist das Morgenlob (eigentlich: die Lobgebete, im Plural), die Vesper ist die Gebetszeit am Übergang des Tages in den Abend und die Komplet beschließt den Tag und bittet um Gottes Segen für die Nacht. In den meisten Klöstern rund um den Erdball sind das die gemeinsamen Gebetszeiten, zu denen sich die ganze Gemeinschaft trifft und miteinander aus dem Stundenbuch betet. In manchen Klöstern gibt es mehr Gebetseinheiten, in anderen weniger, je nach Tradition und Aufgaben des Klosters.
Jede Gemeinschaft hat dafür feste Gebetszeiten, also eine Art Stundenplan, der für jeden Tag oder jede Woche eine feste Einteilung hat. Man will sich ja schließlich gemeinsam treffen, um in der Kapelle oder einem anderen Gebetsraum miteinander zu beten, zu singen oder vor Gott zu schweigen. All das hat in einer Gruppe und Gemeinschaft einen besonderen Reiz, denn alle sind im Beten und Schweigen auf das gleiche Ziel konzentriert, nämlich sich auf die Gegenwart Gottes zu konzentrieren.
All das erfordert ein gutes Timing, vor allem ein pünktliches und gemeinsames Beginnen der Gebetszeit. Denn wie überall ist notorisches Zuspätkommen nervig und oft auch störend, in einer Gemeinschaft und gemeinsamen Gebetszeit erst recht.
Deshalb spielt die Uhr im Kloster und Ordensleben eine wichtige Rolle, auch wenn man daran erst einmal gar nicht denkt. Die Turmuhren, besonders die Kirchturmuhren und ihr Glockenschlag gaben früher für das Kloster wie für alle Leute in Hörweite den Fortschritt des Sonnenstands und Tages an. Mit einem Glockenschlag wurde für alle in Hörweite des Klosters die Zeit zum nächsten Gebet angegeben. Viele Klöster hatten und haben bis heute eine Glocke oder einen Gong, der innerhalb des Hauses zur nächsten Gebetszeit ruft. Wenn man diese Glocke hört, wird es Zeit, die momentane Arbeit – oder den Schlaf – zu beenden, sich aufzuraffen und auf den Weg zum Gebet zu machen.
Wir tragen die Zeit mit uns
Inzwischen ist der Schlag der Kirchturmuhr oder Hausglocke vielerorts abgelöst oder unnötig geworden. Wir gehen mit der Zeit. Das heißt, jeder hat heute die Zeit bei sich. Nicht dass wir die Zeit bestimmen, nein, wir orientieren uns sogar viel mehr an ihr als früher. Wir tragen die Zeit mit uns, wir haben sie immer dabei und müssen nicht erst auf einen Gongschlag warten oder hinauslaufen, um auf die Kirchturmuhr oder Standuhr zu schauen.
Die Zeit oder besser die Uhr ist praktischer geworden, sie ist uns näher gekommen, ganz individuell. Die Uhren sind im Laufe der Jahrhunderte nicht nur immer exakter, sondern auch deutlich kleiner geworden. Hat man früher einmal die Zeit mit überdimensionalen Sonnenuhren zu messen versucht, sind heute Wanduhren, Armbanduhren, der Signalton auf dem Handy und das Kästchen mit der Uhrzeit in der Zeitleiste des Computers das Normalste auf der Welt. Wir haben die Zeit ständig im Blick, und doch hindert uns das nicht daran, trotzdem zu spät zu kommen. Pech, Schicksal oder Schludrigkeit – das fällt wohl individuell immer noch ganz unterschiedlich aus. Da macht das Leben im Kloster keine Ausnahme.
Was mache ich mit meiner Zeit? Am besten: sie genießen und nicht allzu oft auf die Uhr schauen. Denn vergehen tut die Zeit ganz von selbst.
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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