Kein Standby mehr: Wie geht Abschalten?
Grafschaft - Wie unsere Smartphones sind auch wir immer im Standby-Modus, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Wie kommen wir aus diesem ewigem Hamsterrad wieder raus? Eine Antwort findet sich nicht nur in der Bibel.
Veröffentlicht am 14.10.2024 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Dienstagmorgen, der Wecker im Handy klingelt und holt mich aus dem Schlaf. Vor dem Aufstehen ein kurzer Blick in die Nachrichten. Mal sehen, was Instagram und Co. und der Rest der Welt für mich so bereithalten. Dann duschen, frühstücken und Zähneputzen mit gestreamter Musik. Anschließend mit den Kopfhörern im Ohr auf dem Weg in die Arbeit oder zu einer Jogging-Runde nach draußen, bevor der Tag im Homeoffice beginnt. Noch schnell einen Blick in die Mails werfen und schon beginnt das erste Meeting. Zwischendurch "pingt" und vibriert das Handy und fragt mich, worauf ich heute Abend Lust hätte: Lieblingsserie streamen oder mit der Pizza-App eine Bestellung beim Lieferservice aufgeben oder beides? So geht's munter weiter. Zwischen den üblichen Aufgaben des Tages trudeln Nachrichten und Mails manchmal im Sekundentakt ein. Durchschnittlich 80-mal am Tag entsperren wir das Handy, um darauf irgendetwas nachzusehen, manche mehr, manche weniger. Wie häufig das bei mir wohl der Fall ist?
Nach einem vollen Tag bleiben zwar zig gelesene, aber viele unbeantwortete Nachrichten zurück, die wahrscheinlich in der Versenkung verschwinden werden. Macht nichts. Der Tag endet mit einem Podcast zum Einschlafen.
Was, wenn der Strom plötzlich weg wäre?
Irgendwie sind wir ständig online, immer unter Strom. Das lässt sich nicht ignorieren, die Infos zu unserer Bildschirmaktivität auf den digitalen Geräten klärt uns lückenlos über jede verbrachte Minute auf. Und wenn der Strom ausfällt? Wenn der Server zusammenbricht und die Netzverbindung nicht mehr funktioniert? Was dann?
Wehe uns, wenn Strom oder Internet unerwartet und für einige Zeit nicht funktionieren. Manche drehen dann richtig am Rad und werden fast verrückt. Ein Stromausfall lässt sich zwar kurzfristig mit Akkus überbrücken, wenn die aber leer sind und noch immer kein "Saft" aus der Dose kommt, schauen wir dumm aus der Wäsche. Was tun, wenn die üblichen Beschäftigungstherapien ausfallen?
Das Wort Abschalten ist unserem Sprachgebrauch selten geworden. Viel lieber lassen wir unsere Geräte und uns selbst im Dauerzustand des Standby. Das ist ja auch viel praktischer, meinen wir, denn man kann sofort wieder voll durchstarten und sich unnötige Warte- und Aufwärmphasen sparen.
Das stimmt. Trotzdem gibt es da ein großes Aber: Der ständige Standby- und Allzeit-sofort-bereit-Zustand frisst unheimlich viel Energie. Das gilt für technische Geräte genauso wie für uns selbst. Das lässt sich mit Stromzufuhr oder Energieriegeln und Energydrinks auf Dauer nicht wirklich kompensieren, irgendwann läuft man heiß und nicht mehr rund. Das Dauer-Standby schadet den Akkus. "Die Dosis macht das Gift", diagnostizierte der mittelalterliche Paracelsus. Was zu viel ist, belastet und macht auf Dauer krankt. Das gilt auch für die digitale Omnipräsenz.
Der effektive Klassiker: eine Tasse Tee
Dagegen hilft am besten: abschalten. Es muss ja nicht gleich eine Exit-Strategie sein, sondern nur ab und zu ein Auftanken, Boxen-Stopp, Ausruhen. Man kann dazu teure Seminare buchen und üben, wie man einen "One-day-off" gestaltet und mit "digital detox" umgeht. Man kann sich aber auch einfach zuhause eine Tasse Tee eingießen, fernab von allen digitalen Geräten den echten Rauchschwaden, die aus der Tasse aufsteigen, beim Verdampfen zu sehen und und und. Dem kreativen Nichts-Tun sind keine Grenzen gesetzt, aber wir haben das fast ein wenig aus den Augen verloren.
Wer es bei sich zu Hause nicht schafft, abzuschalten, dem hilft sicher ein Aufenthalt im Kloster. Dort funktioniert das mit dem "digital detoxing" nämlich wunderbar. Denn bei den Gebets- und Gottesdienstzeiten von Nonnen und Mönchen sind Handys und Co. außen vor, sie bleiben draußen oder sind stumm geschaltet. Das heißt nicht, dass man sich von all dem, was außerhalb der Klostermauern geschieht, abschottet. Im Gegenteil. Wir Schwestern und Brüder nehmen uns mehrmals am Tag bewusst eine Zeit des Gebets, der Meditation und der Stille, um die Sorgen und Nöte der ganzen Welt und der Menschen um uns herum vor Gott zu tragen. Da kann es dann schon mal passieren, dass sich der Smartphone-Fokus "Im Gebet" zur liebsten Zeit des Tages wird, nach dem Motto Jesu: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen" (Mt 11,29).
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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