Die gute alte Kirchenbank: Hier kommen wir in Gottes Nähe
Grafschaft - Holz: Davon gibt es in den meisten Kirchen jede Menge, denkt man nur an Kreuze, Bänke oder Beichtstühle. Das Material schafft eine angenehme Atmosphäre, schreibt Schwester Gabriela Zinkl – und besinnt uns immer wieder zurück.
Veröffentlicht am 25.11.2024 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Für mich hat Beten viel mit Holz zu tun. Mein kleiner Rosenkranz ist aus Olivenholz und in unserem Kloster gibt es so viele Holzkreuze, dass man sie kaum zählen kann. Wenn man den Blick aufs Holz konzentriert, findet man in den meisten Kirchen und Kapellen jede Menge davon. Die großen Holzkreuze vorne im Altarraum oder die massiven Beichtstühle an der Seite sind nicht zu übersehen, über das andere schaut man gerne hinweg, obwohl sich dort das meiste Holz befindet: Bänke zum Sitzen, Knien, zum Festhalten oder Festkrallen vor Wut oder Enttäuschung, mancherorts gibt es auch Stühle, Hocker und in Klöstern findet sich kunstvoll geschnitztes Chorgestühl. Dank der vielen Kirchenbänke und Sitzplätze ist die heilige Hütte alias Kirche voller Holz. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Auszeichnung, die für hohen Wohlfühlfaktor spricht. Denn, so sagen Architekten und Einrichtungsberater, Holz schafft in jedem Raum eine angenehme Atmosphäre und gesundes Raumklima. Wie gut also, dass es die Bänke und Stühle in unseren Kirchen gibt!
Egal, an welchem Ort und in welcher Stadt ich auch bin, in so gut wie jeder Kirche wartet eine Kirchenbank oder Stuhlreihe auf mich. Durch sie ist eine Kirche ein Ort, wo ich mich hinsetzen, fallenlassen und ausruhen kann. Auf der Bank in der Kirche, egal ob ganz hinten, an der Seite oder vorne, darf ich vor Gott in Ruhe still werden und ihm meine Sorgen oder Dankeshymnen bringen. Das geht in einer Bank, sitzend oder kniend, tausendmal besser als im Stehen.
Dass ein Kirchenraum ein Ort der Wärme und Geborgenheit ist, hat viel mit unserem Glauben an die Gegenwart Gottes in Brot und Wein, im Tabernakel und in unserem zu tun. Wenn wir eine Kirche betreten und dort auch mal mehr als ein paar Minuten verweilen, auch wenn dort gerade kein Gemeindegottesdienst ist, sind die Kirchenbänke daran nicht ganz unschuldig. Ich weiß nicht, ob ich in einem komplett leeren Kirchenraum ganz ohne Sitz- oder Platzmöglichkeit überhaupt länger bleiben würde. Bin ich da überhaupt erwünscht?
Restaurants haben ihre Designerstühle, Kinos haben ihre gepolsterten Plüschsessel, Bahn und Flugzeug haben ergonomische Komfortsitzplätze, bei Oma und Opa gibt es noch ein typisches Sofa. In Kirchen gibt es Kirchenbänke, mal schlicht mal kunstvoll geschnitzt, in jedem Fall einmalig und unverwechselbar. Das Wort Gottes, wie überhaupt all die heiligen Handlungen und Gebete, will aufmerksame, also hörbereite Zuhörerinnen und Zuhörer und Zuschauerinnen und Zuschauer. Das funktioniert am besten im Sitzen auf einem angenehmen Platz. Die Kirchenbank mit Rückenlehne ist dafür normalerweise ganz gut geeignet, außer sie ist zu hart, zu kalt oder zu kantig. Denn dann verfehlt sie ihren Sinn und Nutzen, mich zur Meditation und zum Gebet einzuladen, dafür braucht es keinen Liegestuhl. Die gute alte Kirchenbank bietet mir im Idealfall Platz und hilft mir, aufmerksam für die Nähe und das Wort Gottes zu sein.
Klar passiert es mir, dass ich beim Beten abschweife, das Gespräch mit Gott aus den Augen verliere und meine Gedanken sich an ganz anderen Dingen festbeißen. In solchen Augenblick holt mich manchmal das Fühlen des Holzes an den Ort zurück, an dem ich gerade bin: die Holzbank in der Kirche. An meinem Platz in der Hauskapelle unserer Schwesterngemeinschaft kann das Holz mir jede Menge erzählen, und es hilft mir beim Beten. Man fühlt und sieht es der Bank an, dass hier schon Generationen von Menschen gebetet und ihre Bitten vor Gott getragen haben. Die Patina der Holzbank sagt mir, dass ich Teil einer großen Gebetsgemeinschaft bin, deshalb ist sie nicht ein steriles Möbelstück, sondern strahlt Wärme aus.
Baumringe als Einladung zur Meditation
Das Schönste an der Kirchenbank aus Holz ist, dass man ihr den Baum und Wald, aus dem sie stammt, nicht nur fühlt, sondern ansieht. Auf den meisten Kirchenbänken sind die Jahresringe des Holzes sehr gut zu erkennen, oft besser als auf unseren Möbelstücken zuhause. Das kann uns zur Meditation einladen. Wie wir alle mal in der Schule gelernt haben, steht jeder Jahresring des Holzes für ein Wachstumsjahr des Baumes. Der unterschiedliche Abstand der Jahresringe und ihre Stärke zeigen uns, welche Jahre für den Baum gut und welche trocken und dürr waren. Beim Waldspaziergang kann man das an frisch gefällten Bäumen noch besser studieren. Die Baumringe sind für mich wie ein Wunderwerk der Natur. Sie sind bei jedem Baum anders und machen ihn einmalig und unverwechselbar.
In der starren Kirchenbank aus Holz verbirgt sich so viel mehr: nicht nur Holzwürmer, Maserungen und Astlöcher, sondern die Geschichte des Lebens und Werdens durch Gottes schöpferische Kraft.
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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