Über Tiefkühlpizza und Tischgebet: Wie im Kloster gegessen wird
Grafschaft - Schnell mal eine Pizza vor dem Fernseher: Das gibt es im Kloster wohl kaum, schreibt Schwester Gabriela Zinkl. Die Tischkultur von Ordensleuten ist ein besonderes Ritual der Gemeinschaft. Pommes gibt es manchmal trotzdem – mit einer Einschränkung.
Veröffentlicht am 20.01.2025 –HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ein ganz normales Abendessen im Jahr 2025: Mit einem Stück Pizza vom Lieferservice auf dem Sofa lümmeln, vor sich eine Cola, die Beine hochgelegt und sich dabei die neuesten Videos auf dem Fernseher, Tablet oder Handy anschauen. So oder so ähnlich sieht die abendliche Essens- und Freizeitgestaltung bei Computer-Nerds, Singles und in vielen Familien aus, egal in welcher Konstellation. Zumindest bekomme ich das von nicht wenigen Leuten genauso geschildert. Auch wenn diese Art des Essens und der Essenskultur in unseren Breiten nicht unbedingt die Regel ist, bildet sie doch etwas Typisches unserer Zeit ab: Fast Food. Schnelles Essen, inklusive aller Verballhornungen des englischen Wortspiels. In vielen Fällen geht es dabei um schnell fabriziertes oder schnell aufgewärmtes Essen. Und es geht um das schnelle, oft beiläufige Verspeisen der Mahlzeit. Die Nahrungsaufnahme erfolgt nebenbei, achtlos, während man sich auf etwas ganz anderes konzentriert, zum Beispiel Nachrichten liest oder Videos anschaut. Fast Food verspricht Individualität, weil sich jeder sein Menü samt Lieblingszutaten individuell zusammenstellen kann. Typisch für Fast Food ist aber auch, dass man es meistens allein isst, weil gerade niemand anderes da ist, mit dem man gemütlich beim Essen zusammensitzen kann und man sowieso keine Lust auf aufwändiges Kochen hatte.
Im Kloster läuft das mit dem Essen komplett anders. Das gemeinsame Essen ist bei Benediktinern, Dominikanern, Franziskanerinnen, Borromäerinnen und wie sie sonst noch alle heißen, ein Ritual, ein sehr schönes sogar, von dem nur selten abgewichen wird. In einer Hausgemeinschaft von 10 bis 20 Schwestern oder Brüdern ist es nicht nur gute klösterliche Tradition, dass sich alle regelmäßig zur Mahlzeit treffen. Es macht vor allem Sinn. Denn das gemeinsame Essen wird als Liebesmahl, als Fortsetzung der Eucharistie, des Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern gesehen. Die Texte des Tischgebets vor und nach dem Essen erinnern daran. Bei uns im Kloster essen wir dreimal am Tag gemeinsam, wir treffen uns zum Frühstück, Mittag- und Abendessen. Dabei sitzen wir an einem oder mehreren Tischen zusammen. Jede Schwester hat ihren festen Sitzplatz, in unserer Gemeinschaft wird die Sitzverteilung sogar alle paar Monate neu gemischt. In anderen Klöstern gibt es die Tradition, dass man nach dem Alter der Ordensprofess oder der Stellung im Kloster am Tisch sitzt.
Apropos Tisch. Wir sind tatsächlich "zu Tisch". Die Tischkultur, die gemeinsamen Mahlzeiten und das miteinander Mahlhalten spielen im Kloster eine wichtige Rolle. Für externe Gäste, die das schon einmal erlebt haben, ist das etwas sehr Faszinierendes und Besonderes. Viele sagen, sie haben so eine besondere Ess- und Tischkultur lange nicht mehr erlebt. Das fängt schon an beim Namen des Esszimmers oder Speisesaals, der im Kloster "Refektorium" heißt. Das lateinische Wort (von reficere) bedeutet Wiederherstellung, Erholung und Stärkung. Durch das gemeinsame Essen und Trinken schöpft man wieder neue Lebenskräfte. Das Essen läuft außerdem nicht einfach so nebenbei ab, sondern geschieht ganz bewusst. Zu manchen Mahlzeiten ist bzw. isst man im Kloster bewusst im Schweigen, in manchen Klöstern gibt es eine Tischlesung, andere Male ist man miteinander fröhlich im Gespräch, je nachdem wie es der Tag und Anlass erlaubt.
Diese Art des gemeinsamen Essens im Kloster hat etwas sehr Feierliches und Würdevolles. Es ist nicht einfach nur Nahrungsaufnahme und miteinander Plauschen, sondern wichtiger Bestandteil der Tages- und Gemeinschaftsstruktur des Ordenslebens: Beten und Arbeiten. Miteinander den Tag vor Gottes Angesicht gestalten. Sich dabei über die leckeren Gaben der Schöpfung freuen, über das Geschick der Köchin und des Kochs und über einen schön gedeckten Tisch. In jedem Kloster gibt es das Amt des Refoktorianers oder der Refektorianerin, die für das Refektorium, den Speisesaal des Klosters verantwortlich sind, das ist keine unbedeutende Aufgabe. All das gehört zur Tischkultur eines Klosters. Vor allem macht es Freude, wenn man all das miteinander teilen kann, auch den gemeinsamen Abwasch. Übrigens ist auch das in vielen Ordensregeln ausdrückliche Vorschrift, dass die Brüder und Schwestern das selbst übernehmen, keiner soll sich davor drücken, denn auch das ist ein wichtiger Dienst an der Gemeinschaft.
Fast Food im Kloster? Das ist insoweit ausgeschlossen, als dass wir normalerweise nicht schnell, hastig oder nebenbei essen. Das heißt nicht, dass bei uns nicht auch mal eine schnelle Pizza serviert wird. Nur bei den Pommes frites scheiden sich die Geister. Die gibt es bei uns sehr selten, denn – da sind wir uns alle einig – die schmecken am besten frisch gebacken oder frittiert, und wir sind vor jeder unserer Mahlzeiten zu einer längeren Gebetszeit in der Kapelle. Wer soll die also schnell und frisch herausbacken? Frische Pommes essen auch meine Mitschwestern und ich am liebsten direkt aus der Tüte von der Bestelltheke oder vom Drive-In, unterwegs bei längeren Autofahrten und ganz nach individueller Vorliebe mit oder ohne Ketchup und Mayo.
Die Autorin
Schwester Dr. Gabriela Zinkl SMCB ist Ordensschwester bei den Borromäerinnen und in der Ordensleitung in Kloster Grafschaft. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag. Sie ist promovierte Theologin.
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